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Die Glücksparade

Die Glücksparade

Titel: Die Glücksparade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Martin Widmann
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Brocken graue Erde auf den Tisch.
    «Kannst du behalten, wenn du willst», sagte Bubi.
    «
Wirklich?
», sagte Erik wieder.
    «Davon hat meine Frau auch noch ein paar zu Hause», sagte Klaus. Aber Bubi tat, als hätte er das nicht gehört.
    «Schon gut», sagte Klaus. «Wo fliegen schwule Adler hin?»
    «Zum Horst», sagte Erik.
    «Genau!» Klaus stand auf und ging zu dem zweiten Tisch, an dem meine Eltern und Petra und die Hellers saßen. Bald drang seine Stimme von dort zu uns herüber. Weinflaschen wurden entkorkt, und Gläser stießen aneinander. Zwischendrin kamen noch Waldemar und die Neue, deren Namen ich immer noch nicht wusste.
    «Die Musi hat die Händ’ am Sack!», rief er laut, und seine Freundin quietschte wie erschrocken.
    «Er hat recht», sagte Bubi. «Es gibt keine Musik. Die Leute sollten tanzen. Irgendwer muss tanzen bei so einem Fest, sonst ist es keins.»
    Keiner unternahm etwas, aber gegenüber mischten sich die Stimmen und wurden lauter. Auch die Stimme meiner Mutter war zu hören. Einmal trafen sich unsere Blicke, und sie winkte mir zu. Es war lange her, dass ich sie so ausgelassen erlebt hatte.
    «Wollen wir was reden, oder wollen wir irgendwohin schauen?», fragte Bubi irgendwann.
    «Erzähl uns was», sagte ich, und Erik nickte.
    «Erst mal anstoßen», sagte Bubi. Nachdem er drei Flaschen Bier an den Tisch gebracht und mit einem Feuerzeug aufgehebelt hatte, ließ er sich wieder auf der Bank nieder und prostete uns zu.
    «Was hast du früher eigentlich gemacht?», fragte ich. Mein Vater hatte einmal erwähnt, Scholz bekäme eine Pension. Er wusste mittlerweile über alle Nachbarn Bescheid, aber es war das erste Mal, dass ich einen von ihnen fragte. Bei ihm glaubte ich, es tun zu können.
    «Ich war beim Bau», sagte er.
    «Aha», sagte ich. «Als was denn?»
    «Mal so und mal so.»
    «Aha», sagte ich wieder, im gleichen Tonfall.
    «Im Ernst», sagte Bubi. «Ganz im Ernst. Ich hab es nie lange bei einer Firma ausgehalten. Nichts zu machen. Wenn mir was nicht gepasst hat, hab ich einfach nicht stillgehalten, wie die anderen. Das gab natürlich manchmal Ärger, und dann konnte ich meinen Hut nehmen. Oder ich hab selbst Schluss gemacht. Mit der Zeit wurden die Betriebe, für die ich noch nicht gearbeitet hatte, natürlich knapp.»
    Er lachte, und wir lachten auch.
    «Jedenfalls bin ich irgendwann bei Seegbrecht gelandet, das ist ein großer Unternehmer, der größte in der Gegend. Da haben sie immer Leute gesucht, und als ich kam, haben die gerade ein Einkaufszentrum gebaut. Ich hab Schalungen gemacht, für die Gussbetonwände. Aber das Ganze war eine Nummer zu groß für die. Es gab einen Termin für die Eröffnung, und der wurde immer wieder verschoben, weil es einfach nicht fertig wurde. Erst hieß es Juni, dann September, und da stand gerade erst der Rohbau und es gab Sonderschichten am Wochenende und abends. Dabei ist ein Kollege von mir krank geworden. Einer, der schon lange dabei war. Aus dem Norden oben, aus Hamburg, einer der saubersten Kerle, die ich in dem Geschäft getroffen habe. Er ist umgefallen, mit dem Gummihammer in der Hand, und wurde von der Ambulanz weggebracht. Der konnte nicht mehr, vom einen auf den anderen Tag, und hat auch kein Geld mehr gekriegt, nicht mal bis Monatsende, denn es hatte nichts mit der Arbeit zu tun, jedenfalls hat das der Arzt gesagt, und in der Gewerkschaft war er auch nicht. Als ich davon Wind gekriegt hab, hab ich zum Kollegen gesagt: Hier hast du meine Kelle. Geh damit zum Chef und sag ihm, ich bin weg.»
    Er fummelte eine Zigarette aus einer seiner vielen Hosentaschen, zündete sie an und zog daran. Ohne sie aus dem Mund zu nehmen, sagte er: «Ein paar Wochen später stellt sich raus, die Lunge von meinem Kollegen ist völlig im Eimer. Da hat er mich angerufen und mich gefragt, ob ich seinen Hänger haben möchte.» Dabei wies er mit einem Daumen hinter sich.
    «Was hast du dann gemacht?», fragte Erik.
    «Danach hab ich für eine Abbruchfirma gearbeitet. Beton wegstemmen und so, verstehst du. Viel Staub.»
    Er schaute Erik und mich an, als erwartete er, dass wir seine Geschichte weitererzählen könnten. Stattdessen fragte Erik:
    «Und dann?»
    «Hab ich mit dem Chef Streit gekriegt. Der hat manchmal seine Tochter mitgebracht, nachmittags, nur so zum Herzeigen, verstehst du. Die war fünfzehn, sechzehn, feines Ding. Aber nicht für die Baustelle. Und da hab ich ihm irgendwann gesagt, was ich davon halte, und er sagt, ich soll mich da

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