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Die Glut des Bösen: Kriminalroman (German Edition)

Die Glut des Bösen: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Glut des Bösen: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anette Huesmann
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beim Kloster Disibodenberg zusammen mit Jutta von Sponheim eingemauert worden war. Dagegen gingen viele Wissenschaftler davon aus, dass sie 14 Jahre alt war, als sie auf den Disibodenberg kam. Zuvor wurde sie vermutlich zusammen mit Jutta von Sponheim von einer adeligen Frau religiös erzogen und war bereits für das Kloster bestimmt. Egal, welche Angaben stimmten, beides sprach dagegen, dass die Ordensfrau eigene sexuelle Erfahrungen gesammelt hatte.
    Emma überflog ein weiteres Kapitel der Biografie, in dem geschildert wurde, wie sehr Hildegard an einer jungen Ordensfrau hing, die ins Kloster eintrat, als sie bereits Äbtissin des Konvents war. Die junge Frau, Richardis von Stade, verehrte die damals schon berühmte Frau und wurde schnell zurVertrauten und zu ihrer Freundin. Jahre später verlangte der Mainzer Erzbischof Heinrich gemeinsam mit dem Bremer Erzbischof, dass Richardis als Äbtissin in ein Kloster nach Bassum gehen sollte. Hildegard von Bingen wehrte sich vehement dagegen, ihre engste Vertraute und geliebte Freundin zu verlieren. Richardis von Stade verließ nach längeren Auseinandersetzungen schließlich das Kloster Rupertsberg und ging nach Bassum. Hildegard von Bingen war so sehr vom Schmerz und dem Verlust der Freundin getroffen, dass sie glühende Briefe schrieb über die vollkommene Liebe, die sie zu Richardis empfand. Immer wieder bat sie darum, Richardis möge zu ihr zurückkommen. Sie klagte, sie drohte und wandte sich sogar an den Papst. Doch Richardis kehrte nicht zurück und starb wenig später.
    Die Schreiberin der Biografie legte Wert darauf, dass es sich um eine innige Freundschaft gehandelt hatte. Dass es auch eine lesbische Liebe gewesen sein könnte, erwähnte sie dagegen mit keinem Wort. Doch Hildegard von Bingen hatte offensichtlich auf ganz eigene Art an dieser Schwester gehangen. Die Briefe erzählten von einer tiefempfundenen Liebe zu einer anderen Frau, und Emma verstand immer mehr, warum die katholische Kirche zögerte, die berühmte Frau heiligzusprechen.
    Emma fragte sich, was in der verschollenen Originalhandschrift sonst noch alles enthalten sein könnte. Sie setzte sich an den Computer und gab die Stichworte »Zölibat« und »Hildegard von Bingen« ein. Schon nach wenigen Minuten war ihr klar, dass Hildegard von Bingen in ihrer theologischen Hauptschrift »Scivias« den Zölibat ausdrücklich begrüßt hatte. Auch die Kombination aus den Suchbegriffen »Homosexualität« und »Hildegard von Bingen« brachte den schnellen Beweis, dass die Ordensfrau wie viele ihrer Zeitgenossen Homosexualität als entartet und verachtenswertempfunden und in ihren theologischen Schriften dagegen Stellung bezogen hatte.
    Emma stöhnte und rieb sich die Augen. Die naheliegendsten Spuren führten in eine Sackgasse. Doch was wäre, wenn Hildegard von Bingen in ihrer späteren naturwissenschaftlichen Schrift zu einem anderen Urteil über Zölibat und Homosexualität gekommen war? In den Abschriften ihrer naturwissenschaftlichen Schrift hatte sie ganz vorurteilsfrei homosexuelle Männer und Frauen beschrieben. Auch war da von Männern und Frauen die Rede, die krank wurden, wenn sie enthaltsam lebten.
    Emma war klar, dass es reine Spekulationen waren, die sie hier anstellte. Oder ob Hertl recht behalten sollte und der reine Marktwert der Handschrift bereits Grund genug war für einen Mord? Oder sogar zwei Morde?
    Konzentriert ging Emma noch einmal durch, was sie bisher gefunden hatte. Für die These mit der Handschrift fehlte ihr jeglicher Hinweis. Sie hatte nur die Aussage der Nachbarin, dass Miriam Schürmann vor ihrem Tod Besuch von einem Priester erhalten hatte. Was nichts bedeuten musste.
    Emma dachte darüber nach, dass Paul eher an einen Zusammenhang zwischen den auffälligen Todesarten glaubte. Drei Tote waren kastriert gewesen. Einer vor dem Tod, zwei waren durch die Kastration zu Tode gekommen. Unzufrieden gab Emma bei Wikipedia das Stichwort »Kastration« ein. In dem Online-Lexikon konnte sie nachlesen, dass Kastrationen an Männern in der gesamten Menschheitsgeschichte und in vielen Kulturen durchgeführt worden waren. In zahlreichen religiösen Kulten spielte die ritualisierte Kastration eine Rolle. Den meisten Männern wurde lediglich der Hoden entfernt, andere büßten zusätzlich den Penis ein.
    Eine Kastration bei männlichen Kindern verhinderte die Pubertät. Der Stimmbruch entfiel, der Körper blieb weichund die Behaarung kindlich. In Italien wurden noch bis Mitte des 19.

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