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Die Glut des Bösen: Kriminalroman (German Edition)

Die Glut des Bösen: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Glut des Bösen: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anette Huesmann
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Priester oder Bischof werden, geschweige denn Papst. Der »Kleine Jone« entpuppte sich beim weiteren Googeln als Buch zur katholischen Moraltheologie aus dem Jahre 1930, das bis heute Gültigkeit hatte.
    Emma fiel ein, dass Windisch ein karrierebewusster Geistlicher war, dem nachgesagt wurde, dass er bald zum Bischof berufen werden würde. Angenommen, er wäre kastriert. Ob er dann noch Bischof werden könnte? Oder ob er überhaupt im Amt bleiben dürfte? Wenn der Theologe im Forum recht hatte, dann nicht. Allerdings gab es keinen Grund anzunehmen, dass er kastriert war. Aber das hätte auch für Pater Benedikt im Internat ihres Vaters bedeutet, dass er sich nicht hätte kastrieren dürfen. Das heißt, als er seinen Schülern davon erzählte, machte er sich erpressbar.
    Emma beschloss, herauszufinden, ob an der Behauptung des anonymen Theologen etwas dran war. Es war kurz nach zehn. Ob die Uni noch geöffnet war? Am Karsamstag? Unwahrscheinlich. Sie ging auf die Internetseite der Heidelberger Universität und landete kurze Zeit später auf der Homepage des Theologischen Seminars. Dort war nachzulesen, dass wegen der anstehenden Prüfungen die Bibliothek auch am Karsamstag zugänglich war.
    Eine Stunde später stand Emma in der Heidelberger Altstadt vor dem Theologischen Seminar. Die Bibliothek war noch bis 17 Uhr offen, wie ein handgeschriebenes Schild an der Eingangstür verkündete. Emma betrat das Gebäude und stand direkt der Bibliotheksaufsicht gegenüber, einer jungen Frau mit verwaschenem T-Shirt und gegelten Haaren, darauf eine weit in den Nacken geschobene Schildmütze mit Werder Bremen Logo. Sie saß hinter einem schmalen Tisch,eingeklemmt zwischen einer Wendeltreppe vor sich und einem Regal hinter sich.
    Emma hatte sich bereits an ihrem eigenen Computer im Verzeichnis der Bibliothek Signatur und Standort des Buches herausgesucht. Den Zettel hielt sie der Studentin hin, die ihr wortkarg den Weg wies. Emma kletterte über eine metallene Wendeltreppe in den Keller und gelangte in einen weiß gestrichenen fensterlosen Vorraum, von dem mehrere Türen abgingen. Sie betrat einen der Bibliotheksräume, an dessen Tür die Signaturen der dahinter stehenden Bücher verzeichnet waren. Der Raum erhielt von mehreren schmalen und hoch liegenden Fenstern Tageslicht. Er wurde fast zur Gänze eingenommen von einem überdimensionalen begehbaren Schrank aus grün lackiertem Metall. Wie eine Ziehharmonika waren zahlreiche hintereinander liegende Schrankfächer zusammengefaltet, um in dem niedrigen Kellergeschoss mehr Raum zu gewinnen. Emma entdeckte eine große Kurbel, mit der die Fächer auseinandergeschoben werden konnten.
    Sie fand rasch das richtige Fach und drehte mit der Kurbel die Bretter des daneben sich befindenden Abteils so weit auseinander, dass sie in den Zwischenraum passte. In der zweiten Reihe von oben fand sie unter der Signatur, die sie sich notiert hatte, ein kleinformatiges Büchlein mit festem Einband in dunkler, undefinierbarer Farbe. Emma zog es heraus und wand sich durch den schmalen Gang wieder nach vorne. Dann setzte sie sich an einen der Tische, die sich an zwei Seiten entlang der Kellerwand zogen.
    Laut Vorblatt war der »Kleine Jone« von Pater Dr. Heribert Jone geschrieben worden unter Berücksichtigung des CIC, des Codex Iuris Canonici. Dieses war das Gesetzbuch der katholischen Kirche. Emma fand rasch den Paragraphen, der im Diskussionsforum zur kirchlichen Geschichte genanntworden war. Dort war tatsächlich zu lesen, dass die katholische Kirche Kastration zur Verringerung der Versuchungen als schwere Sünde einstufte und damit als Todsünde.
    Emma starrte auf die weiß gestrichene Wand vor sich, auf der jemand mit Bleistift einige Jahreszahlen gekritzelt hatte. Erstaunlich. Das Buch war im Jahr 1930 veröffentlicht worden. Und war bis heute eines der einflussreichsten Lehrbücher der Kirche. Emma war nicht sicher, was das im Zusammenhang mit den beiden Morden zu sagen hatte. Trotzdem schien es ihr bedeutsam zu sein. Sie machte eine Kopie der Buchseite und verließ die Bibliothek.
    Inzwischen hatte es angefangen zu regnen. Emma blieb unter dem Vordach des Seminars stehen und überlegte, wie es nun weitergehen sollte. Paul hatte geglaubt, dass die Morde nichts mit dem Vatikan zu tun hatten, sondern mit der Kastration zusammenhingen. Doch nun hatte die Spur der Kastration sie direkt zum Vatikan geführt. Emma sah auf die Uhr. Um diese Zeit musste Paul eigentlich zu Hause sein. Sie war gespannt,

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