Die Glut des Bösen: Kriminalroman (German Edition)
begrünten Kronen dreier Birken. Grieser verfolgte ihren Flug und überlegte, wie es nun weitergehen sollte. Michael Kramer, der Leiter der Spurensicherung, hatte ihm bestätigt, dass der Fundort der Leiche nicht der Tatort war. Sie würden schneller vorankommen, wenn sie den Tatort hatten. Da die tote Frau vor ihrem Transport in die Abteikirche viel Blut verloren hatte, musste es irgendwo reichlich Spuren geben. Grieser griff nach seinem Handy und drückte eine Kurzwahltaste.
»Ja, Chef?« Baums Stimme klang gedämpft.
»Sind die Kollegen schon mit dem Zimmer durch?«
»Kramer hat mir gerade Bericht erstattet«, antwortete Sabine Baum. »Wo finde ich dich?«
»In einer Minute bin ich im Klosterhof«, erwiderte Grieser.
»Okay, ich bin gleich bei dir.«
Die Verbindung brach ab. Grieser steckte das Handy in die Innentasche seiner Lederjacke und ging schneller. Unter dem Torbogen kam ihm der Leichenwagen entgegen. Grieser trat einen Schritt zur Seite und wartete, bis der dunkel verglaste Mercedes an ihm vorübergeglitten war. Die Vögel hatten inzwischen abgedreht und verschwanden flügelschlagend über der nördlichen Klostermauer Richtung Rhein.
Grieser erreichte den Innenhof. Er sah, wie der uniformierte Beamte im Klosterhof mit Markus Hertl sprach. Neben ihm stand eine Frau, die er nicht kannte. Grieser spürte Ärger in sich aufwallen. Die Anweisung an die Beamten heute Morgen war deutlich gewesen. Grieser steuerte auf die drei zu. Er war noch etwa hundert Meter entfernt, als Hertl und die Frau sich abwandten und auf das Gästehaus zugingen. Im Gehen setzte die Frau eine kleine Katze ab, die mit hoch aufgerichtetem Schwanz über den Klosterhof rannteund zwischen den Lorbeersträuchern am Kreuzgang verschwand. Grieser beschleunigte seinen Schritt. Er nickte dem Beamten zu, der ihm nervös entgegenblickte.
»Wer war das?«, fragte Grieser, als er den Uniformierten erreichte. Der Mann musste so um die dreißig sein, sein Schädel war kahlrasiert, und in seinem rechten Ohrläppchen steckte ein winziger Totenkopf.
»Markus Hertl, einer der Gäste des Klosters«, erwiderte der Beamte.
»Ich weiß«, erwiderte Grieser ungeduldig. »Ich meinte die Frau. Die ist doch bisher noch nicht hier aufgetaucht, wer war sie?«
»Ich weiß nicht«, sagte der Beamte und zerrte mit der Rechten an seinem Hemdkragen. »Hertl hat gesagt, sie gehört zu ihm.«
»Sie haben Anweisung, keinen in die Klosteranlage zu lassen, bis auf die Schwestern und die Gäste des Klosters. Richtig?«
»Richtig«, erwiderte der Beamte. Sein Blick glitt an Griesers Gesicht vorbei ins Leere.
»Es gibt keine Ausnahme«, betonte Grieser. »Es sei denn, ich habe dem höchstpersönlich zugestimmt.«
Der Beamte tippte mit dem Zeigefinger an seine Mütze.
»Und das nächste Mal, wenn ich mit Ihnen rede, sehen Sie mich an. Wir sind hier nicht beim Militär.«
Der Beamte warf ihm einen Blick zu. Für einen Moment glaubte Grieser Hass darin aufblitzen zu sehen. Dann wandte sich der Mann ab und kehrte auf seinen Posten vor den Eingang der Kirche zurück.
Grieser blickte Hertl nach, der inzwischen mit seiner Begleiterin die Tür des Gästehauses erreicht hatte und nach innen verschwand. Grieser fragte sich, warum Hertl die Frau mit ins Gästehaus nahm. Er war ziemlich sicher, dass sie eineJournalistin war. Eine unbeteiligte Person hätte sich nicht die Mühe gemacht, die Polizeisperre zu umgehen.
Grieser hielt sich Presseleute so weit wie möglich vom Leib. Vor Jahren hatte er erlebt, wie ein Journalist viel zu früh Andeutungen über den möglichen Mörder geschrieben hatte. Der hatte dann prompt die Zeit genutzt, um sich aus dem Staub zu machen. Auf den Pressekonferenzen bekamen Journalisten die wichtigsten Fakten. Damit wurde der Informationspflicht Genüge getan, fand Grieser. Mehr brauchten die Schreiberlinge nicht zu wissen. Dass nun eine Journalistin in die innere Absperrung eingedrungen war, gefiel ihm ganz und gar nicht.
Grieser nahm sich vor, später draußen nach der Frau zu suchen und sie zur Rede zu stellen. Wenn sie wirklich eine Journalistin war, würde er sie vermutlich auf dem Parkplatz des Klosters antreffen. Nachdem sie Hertl ausgequetscht hatte. Aber das konnte er ohnehin nicht verhindern. Die Zeugen konnten gehen, wohin sie wollten, und reden, mit wem sie wollten. Da hatte die Polizei keinen Einfluss darauf. Doch er würde die Frau daran erinnern, wie viel Ärger sie kriegen konnte, wenn sie zu früh wichtige Informationen
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