Die Glut des Bösen: Kriminalroman (German Edition)
ihre Nackenhaare aufrichteten.
»Emma Prinz«, erwiderte sie. Ihr Blick wanderte hinunter an den Fuß des Gästehauses. Dort war ein Kräutergarten mit geometrischen Beeten zu sehen, auf dem einige Sträucher und Büsche bereits dem Frühling entgegenwuchsen.
Emma wandte sich um. »Sie glauben also, dass ich ganz umsonst auf die Knie gegangen bin.«
Hertl stand noch immer neben der Tür und musterte sie ernst. »Nein, das wollte ich damit nicht sagen«, erwiderte er und setzte sich auf das Bett. Mit ausgestrecktem Arm wies er auf den Holzstuhl vor dem schmalen Tisch. Er war neben dem Bett die einzige Sitzgelegenheit im Zimmer.
»Es tut mir leid, ich wollte Sie nicht in eine unangenehme Situation bringen. Das war nicht meine Absicht.«
Emma erwiderte seinen Blick und musterte ihn kritisch. Der Kerl wirkte sympathisch und hatte einen freundlichen Blick. Wenn sie ihm auf der Straße begegnet wäre, hätte sie ihm nicht misstraut.
»Und warum haben Sie gegenüber dem Polizisten behauptet, Sie kennen mich?«, fragte sie weiter und hatte auf einmal das Gefühl, undankbar zu sein. Der Mann hatte sie schließlich aus einer ziemlich unangenehmen Situation befreit.
»Intuition.« Hertl legte seinen Kopf schief und sah sie miteinem Lächeln an. »Ich hatte eigentlich das Gefühl, dass es Ihnen recht ist.«
Emma zögerte. Dann erwiderte sie sein Lächeln.
»War es auch«, sagte sie und stieß sich vom Fensterbrett ab. »Ich danke Ihnen.« Vor dem Tisch ließ sie sich auf den harten Sitz fallen.
»Sie sind Gast im Kloster?«
Er nickte.
»Haben Sie etwas von dem Mord mitbekommen?«, fragte Emma vorsichtig.
»Sind Sie Journalistin?«, fragte er zurück.
Emma zögerte. »Ja«, erwiderte sie schließlich.
»Wie haben Sie es geschafft, an der Polizei vorbei in die Kirche zu kommen?«
Emma hob die Augenbrauen und neigte leicht den Kopf.
»Sind Sie eine von diesen Sensationsreporterinnen?«, fragte er. Sein Blick ruhte neugierig auf ihr.
»Ich bin Journalistin«, sagte Emma abwehrend. »Ohne Presse keine Berichterstattung und ohne Berichterstattung keine Öffentlichkeit für Vergehen, egal ob politisch oder menschlich motiviert.«
Hertl musterte sie interessiert und sah aus, als wolle er etwas erwidern. Doch er schwieg.
»Und was hat Sie hierhergeführt?«, fragte Emma.
»Gestern wurde die neue Äbtissin dieses Klosters geweiht«, antwortete er. »Ich bin mit ihr vor vielen Jahren zur Schule gegangen. Sie hat mich zu ihrer Weihe eingeladen.«
»Ich habe das Grab der verstorbenen Äbtissin gesehen«, sagte Emma. »Wie kommt man zu so einem Posten? Ist sie die Älteste hier?«
Ein Lächeln glitt über sein Gesicht. Sofort war ihr klar, warum. Wenn die neue Äbtissin eine Schulkameradin von ihm war, konnte sie nicht so alt sein. Dämliche Frage.
»Nein, das ist sie nicht«, sagte er. »Wenn die Äbtissin sich ihren Aufgaben nicht mehr gewachsen fühlt, tritt sie ab. In manchen Konventen ist die Amtszeit einer Äbtissin auf eine gewisse Anzahl von Jahren begrenzt. Oder, wie in diesem Fall, eine Äbtissin kann auch plötzlich sterben. Eine Nachfolgerin für sie wird dann unter allen Schwestern im Konvent gewählt. Ganz demokratisch.«
So einfach. Emma sah ihn skeptisch an.
»Nur dass noch in derselben Nacht eine andere Schwester sterben muss. Nicht ganz so demokratisch.«
»Da täuschen Sie sich«, erwiderte er kühl und stand auf. Emma hatte das Gefühl, ihm zu nahe getreten zu sein. »Die Tote war keine Schwester aus dem Orden. Sie war eine Besucherin, genau wie ich. Ebenfalls eine Klassenkameradin der Äbtissin.«
»Und also eine ehemalige Klassenkameradin von Ihnen.« Das Gespräch nahm eine interessante Wendung. Emma glaubte Abwehr in dem Blick des Mannes zu lesen. »Es ist das Kloster der Hildegard von Bingen«, sprach sie schnell weiter.
Hertl fuhr sich über die Augen und verharrte für einen Moment. Dann setzte er sich wieder.
»Was wissen Sie über Hildegard?«, fragte er.
»Mein Vater leitet eine Hildegard-von-Bingen-Schule, aber viel mehr als ihr Name ist nicht hängengeblieben.«
Hertl runzelte die Stirn.
»Es gibt viele Schulen, die nach ihr benannt wurden«, erwiderte er zögernd und musterte sie durchdringend. »Hildegard von Bingen wurde 1098 in Bermersheim vor der Höhe geboren«, fuhr er dann fort. »In ihrem achten Lebensjahr haben sie ihre Eltern mit der sechs Jahre älteren Jutta von Sponheim in religiöse Erziehung gegeben. Sie wurde für das Klosterleben bestimmt, weil sie das zehnte
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