Die Glut des Bösen: Kriminalroman (German Edition)
Schiefertafel mit einer eindrucksvollen Liste von Gerichten warb.
»Und was hat das alles mit dem Selbstmord Bruder Benedikts zu tun?«, fragte Emma.
»Ich habe nicht die geringste Ahnung«, erklärte Hertl und zuckte die Achseln.
»Aber deshalb haben Sie mir doch davon erzählt«, beharrte Emma.
Hertl runzelte die Stirn. »Hören Sie«, sagte er, und der strenge Zug um seinen Mund vertiefte sich. »Sie wollten wissen, was damals passiert ist. Ich kann Ihnen nur erzählen, was ich weiß. Dass Bruder Benedikt ein guter Biologielehrer war und fasziniert von Hildegard von Bingen. Er hatuns viel von ihr erzählt. Dann hat er sich umgebracht. Das war’s.«
Emma musterte ihn. Sie spürte, dass er log. Doch für heute sollte es genug sein. Sie lächelte. Hertl entspannte sich und erwiderte ihren Blick.
»Wollen wir?«, fragte er und sah zur Eingangstür des Restaurants.
Emma nickte.
12. Kapitel
Denn wie ein Schiff gefährdet ist in den großen Wellen, die in den Flüssen bei starken Winden und Stürmen sich erheben, so daß es zeitweilig nur mit Mühe sich halten und Widerstand leisten kann, so kann auch im Ansturme der Lust die Natur des Mannes nur schwer gebändigt und zurückgehalten werden.
Die Sonne war längst hinter den Häuserfassaden verschwunden und zeichnete lange Schatten auf den Klosterhof. Schwester Lioba wandte sich vom Fenster ab und ordnete die Papiere auf ihrem Schreibtisch. Hinter ihrer Stirn spürte sie einen dumpfen Schmerz, ihre Kehle schmerzte. Schuldgefühle quälten sie. Sie hatte Miriam gedrängt, dem Konvent zu helfen. Sie hatte die anderen zu ihrer Weihe eingeladen, um Miriam zu überzeugen. Sie hatte die Geister von damals gerufen, und nun führten sie ein Eigenleben.
Schwester Lioba ging zu ihrem kleinen Altar hinter der Tür. Dort standen auf einer Kommode das Kreuz, das ihr die ehrwürdige Mutter Mechthild zur ewigen Profess geschenkt hatte, und eine Ikone der geliebten Hildegard von Bingen, ihrem Vorbild, dem sie so wenig gerecht werden kann.
Sie sank auf die Knie und faltete die Hände. Ihre Knöcheltraten weiß hervor. Dann hörte sie auf, gegen die Tränen zu kämpfen.
»Es ist Hochmut, die Sünde der Hochmut«, flüsterte sie und spürte die Tränen auf ihren Wangen. »Wie kannst du nur glauben, dass du die Verursacherin bist von all diesem Übel. Du bist nur ein Werkzeug Gottes, hast deinen Willen ihm untergeordnet und hast geschworen, alles zu tun, um dem Konvent zu dienen. Die Gemeinschaft ist dir anvertraut, ihr musst du dienen, und nichts anderes hast du getan. Alles andere ist nicht deine Schuld, es lag nicht in deiner Verantwortung.«
Ein Schluchzen schüttelte sie. Sie spürte, dass sie kurz davor war, die Fassung zu verlieren.
»Nimm dich nicht so wichtig«, flüsterte sie. Die Tränen liefen unaufhörlich über ihre Wangen. In wenigen Minuten fand die Vesper statt, ihre Mitschwestern würden sehen, dass sie geweint hatte. Sie schämte sich für diesen Gedanken. Sie hatte eine langjährige Freundin verloren, und es stand ihr zu, um diesen Menschen zu weinen.
»
Ave Maria, gratia plena, Dominus tecum«
, flüsterte sie rasch. Sie klammerte sich an die Worte, die ihr halfen, nicht in diesem Sumpf aus Schmerz, Selbstmitleid und Schuld zu versinken. »
Benedicta tu in mulieribus, et benedictus fructus ventris tui, Jesus.
«
Allmählich versiegten die Tränen. Schwester Lioba betete noch einige Ave Maria. Sie spürte, dass sie ihre Selbstbeherrschung zurückerlangte. Voller Dankbarkeit senkte sie den Kopf tiefer und betete den Schluss des Rosenkranzes. »
O clemens, o pia, o dulcis Virgo Maria.
«
Es klopfte. Schwester Lioba schreckte hoch. Sie spürte die Nässe auf ihren Wangen.
»Einen Moment bitte«, sagte sie scharf und stützte sich mit beiden Händen auf ihr rechtes Knie. Sie drückte sichhoch, kam stöhnend zum Stehen und brauchte einen Moment, bis der Schwindel nachließ. Dann ging sie rasch zu ihrem Schreibtisch und griff nach den Papiertaschentüchern, die in der obersten Schublade bereitlagen. Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht, trocknete sich die Nase und ordnete ihren Schleier.
Schwester Lioba setzte sich auf ihren Schreibtischstuhl und betätigte den Schalter der Leselampe. Der Lichtkegel war auf ihre Schreibtischunterlage gerichtet und erfüllte den Raum mit diffusem Licht.
»Ja, bitte«, rief sie. Schwester Lioba räusperte sich und hoffte, dass sie ihrer Stimme die Festigkeit geben konnte, die sie ihrer Meinung nach in
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