Die Glut des Zorns (Billy Bob Holland) (German Edition)
Feinde erkennt. Er benutzte die Menschen und laugte sie aus. Er tat es mit einem idiotischen Grinsen, schluckte seinen eigenen Schmerz hinunter, demütigte und erniedrigte seine Widersacher auf eine Art und Weise, dass es manchmal tagelang dauerte, bis sie dahinter kamen.
Aus gut zehn Meter Entfernung warf Wyatt das Beil auf den Baumstamm, wo es mit zitterndem Griff und einem Geräusch stecken blieb, wie wenn ein Sägeblatt zerspringt. Er zerrte die stählerne Schneide aus der Borke und reichte es Terry mit dem Griff voran, riss es dann lächelnd weg, als Terry es nehmen wollte.
Dann wiederholte er das Ganze, neckte Terry und sprang zur Seite, als hätte er Federn an den Füßen. Aber bevor Terry eingeschnappt war, drückte er ihm den Griff in die Hand und schlang ihm liebevoll den Arm um den Nacken, nahmihm die Kippe aus dem Mund, zog zweimal daran, knipste dann die Asche ab und aß den Joint.
»Dreh uns noch einen, Sue Lynn«, sagte Terry.
Dreh ihn dir selber, Bumskopf, dachte sie.
Aber sie sagte es nicht. Nicht, wenn Wyatt dabei war. Er mochte Terry ohrfeigen, ihn dazu zwingen, sich zu schminken und ihn aus einem Auto werfen, aber wenn es hart auf hart kam, sei es mit Carl oder irgendeinem anderen Schwachkopf, der sich auf dem Gelände herumtrieb, war Terry immer noch Wyatts fester Freund, und niemand außer Wyatt durfte ihn aufziehen oder Hand an ihn legen.
Sie drehte mit dem selbst gezogenen Marihuana aus Wyatts Tabaksbeutel einen Joint, leckte die Gummierung am Zigarettenpapier an und zwirbelte die Enden zusammen, während Wyatt im Blockhaus auf die Toilette ging.
Terry zog ihr den Joint aus den Fingern und steckte ihn in den Mund. Er hatte kein Hemd an, und seine Hose hing gut fünf Zentimeter unter dem Nabel. Schmutzringe zogen sich um seinen Hals, wie eine Kette aus Insekten.
»Gib mir Feuer«, sagte er.
Ohne ihn zu beachten, rutschte sie von dem Felsblock und ging zum Fluss, klopfte sich den Hintern ab, zog eine Schachtel Zigaretten aus ihrer Jeans und steckte sich eine in den Mund.
»Ich kann dich jederzeit haben, wenn ich will«, sagte er hinter ihr.
Er strich mit dem Fingernagel an ihrem Rückgrat entlang, bis hinunter zum Höschen.
Sie versuchte die Worte zu verschlucken, die ihr auf der Zunge lagen, aber es war zu spät. »Deine Mutter muss gedacht haben, sie hätte ’nen Tumor zur Welt gebracht«, sagte sie.
Er nahm ihr das Streichholzbriefchen aus der Hand und zündete den Joint an, sog den Rauch tief in die Lunge und schnippte ihr das abgebrannte Streichholz ins Gesicht.
»Einen schönen Tag noch, Sue Lynn«, sagte er.
Später ging sie ins Blockhaus und legte sich auf die Couch, schlang sich eine Decke um den Kopf und versuchte zu schlafen. Aber es nutzte nichts. Einer von Wyatts Freunden fuhr mit einer Geländemaschine einen angrenzenden Hügel rauf und runter, jagte den Motor hoch, als er zwischen den Bäumen hindurchgurkte, schleuderte Humus, Steine und Gras in die Luft und machte in der abendlichen Stille einen Krach, als ob eine Kettensäge sich an einem Stahlrohr abmühte.
Warum lässt du’s nicht sausen, so wie Lucas gesagt hat?, dachte sie.
Weil Amos Rackley ihr befohlen hatte, bei der Stange zu bleiben, bis sie herausgefunden hatte, was für Waffen Carl Hinkel in seinem Keller verwahrte. Vielleicht hätte ich mir doch ein Mikro anpassen lassen sollen, dachte sie. Jetzt hatte sie keinerlei Verbindung zur Außenwelt.
Amos Rackley konnte nicht begreifen, wollte es einfach nicht wahrhaben, dass Carl Hinkel andere Menschen durchschauen konnte. Er sah ihre Schwachpunkte, die Gedanken, die sie zu verbergen versuchten, den Ehrgeiz, der in ihrem Blick loderte. Er erkannte das Böse bei anderen Menschen, duldete es, wie ein Vater sein missratenes Kind duldet, und nutzte es zu seinen Zwecken aus. Seine Anhänger wussten, dass sie einander täuschen oder alle Welt belügen konnten und Carl trotzdem ihr Freund bleiben würde. Aber ihn wagten sie nicht anzulügen.
Er schien sich weder für Männer noch für Frauen zu interessieren. Sein einziger Zeitvertreib war das Internet, dem ersich mit Hingabe widmete. Stundenlang saß er vor seinem Computer, das Gesicht in den grünen Schein des Monitors getaucht, hämmerte auf der Tastatur herum und verbreitete seine Ansichten in den Chatrooms, in denen sich seine Bewunderer tummelten.
Aber ihr war aufgefallen, dass er sich manchmal eigenartig verhielt, wenn er mit seinem Computer beschäftigt war. Bei schönem Wetter ließ er die Tür zu
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