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Die Glut des Zorns (Billy Bob Holland) (German Edition)

Die Glut des Zorns (Billy Bob Holland) (German Edition)

Titel: Die Glut des Zorns (Billy Bob Holland) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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Columbia River wirkte im Zwielicht wie eine lange, silberne Schlange.
    Der Abendstern war über den Bergen aufgegangen, als sie in die bewaldeten Hügel über dem Jocko River hinauffuhr, vom Fahrweg abbog und bei der verlassenen Schwitzhütte am Bachufer anhielt. Zweimal hatte sie auf dem Highway Autos hinter ihr herfahren sehen, die zurückfielen, wenn sie abbremste, und beschleunigten, wenn sie Gas gab. Dann war sie ins Reservat abgebogen und hatte sie abgeschüttelt. Aber als sie fünf Minuten später in die Berge fuhr, hatte sie tief unten Scheinwerfer gesehen, die über die gleiche Brücke huschten, die sie überquert hatte, auf den gleichen Wegen aufleuchteten, die sie befahren hatte.
    Die Bäume und die Hügel lagen jetzt im Dunkeln, und der Himmel über ihr wirkte wie eine Schale aus blauem Licht. Sie stieg aus dem Stockcar ihres Onkels und wartete am Bachlauf, hörte, wie das Wasser über die Steine plätscherte, das Huschen der Fledermäuse, die kreuz und quer durch die Luft jagten, die Tiere, die jetzt, da der Tag zur Neige ging, durch den Wald zur Tränke zogen.
    Wo war Rackley? Er hatte gesagt, jemand würde auf sie warten. Aber wieder einmal war sie allein, und jetzt war es zu dunkel, als dass sie mit dem Auto ihres Onkels heimfahren konnte.
    Sie sah, wie sich die Bäume auf der Anhöhe über ihr bewegten, nahm aber an, dass es nur der Wind war. Bachaufwärts schepperten Steine – ein Reh oder ein Hirsch, vielleicht auch ein Rind, das den Wasserlauf durchquerte.
    Sie musste sich zusammenreißen, dafür sorgen, dass ihre Hände nicht mehr zitterten, ihr Herz nicht mehr so raste. Wenn sie nur klar denken könnte, bloß einen Moment lang, dann fiele ihr bestimmt ein Ausweg ein.
    Pfeif drauf, hatte Rackley gesagt. Das war eine Überraschung gewesen. Wollte er sie etwa vom Kanthaken lassen? Oder hatte er vor, sich an sie ranzumachen, sie ständig für Spitzeldienste einzusetzen und nebenbei als Spielgefährtin zu halten?
    Sie sah Lichter, die sich auf dem Fahrweg näherten, hörte ein Fahrzeug mit Allradantrieb, das im kleinen Gang bergaufwärts schlich, und sie verschränkte die Arme, atmete flach und in raschen Zügen und war entschlossen, jeden in Grund und Boden zu starren, egal, wer es war, auch wenn man sie umbringen wollte.
    Der Agent, der Jim hieß, und ein zweiter Agent, dessen Namen sie nicht kannte, fuhren mit ihrem Cherokee aufs Gras, hielten neben ihrem Auto und stiegen aus. Sie kamen auf sie zu, waren gekleidet wie Angler und lächelten lässig.
    »Amos sagt, Sie hatten heute einen harten Tag«, sagte Jim.
    »Wo seid ihr Dreckskerle gewesen?«, sagte sie.
    »Lassen Sie das Fluchen. Das ist nicht nett«, sagte Jim.
    »Jemand hat mich verfolgt«, sagte sie und bemühte sich darum, dass ihre Stimme nicht bebte.
    »Die Straße war einsam und verlassen. Hier draußen ist niemand«, erwiderte er.
    »Ich will ein Flugticket nach Seattle«, sagte sie.
    »Ich glaube, das ist derzeit noch nicht drin«, sagte Jim.
    »Ihr macht das doch ständig für Leute, die im Zeugenschutzprogramm sind.«
    »Wir haben noch allerhand unerledigte Arbeit vor uns. Allerhand Arbeit«, sagte er und schüttelte den Kopf.
    »Amos hat gesagt, ›pfeif drauf‹. Er hat mir gesagt, ich habe gute Arbeit geleistet.«
    »Sie hätten kein Postamt überfallen dürfen, Kindchen«, sagte Jim.
    »Ich muss mal pinkeln«, sagte der andere Agent.
    Die beiden Agenten gingen zum Bachlauf, als ob sie nicht da wäre, stellten sich vor eine Douglaskiefer und urinierten auf den Boden. Sie starrte auf ihre Rücken, hörte, wie sie miteinander flachsten, bis ihr schließlich klar wurde, wie unwichtig sie war.
    Leckt mich, dachte sie, stieg in den Cherokee, ließ den Motor an und wendete, sodass die Fahrertür von selbst zufiel. Ungläubig und mit offenem Mund starrten die beiden Agenten hinter dem Cherokee her, der den Fahrweg hinabraste und in der Dunkelheit verschwand.
    Jim zog ein Handy aus der Tasche seiner Windbluse und tippte etliche Ziffern ein.
    »Wir haben hier ein kleines Problem, Boss«, sagte er.
    »Was für ein Problem?«, erwiderte Amos Rackley.
    »Pocahontas hat grade die Kurve gekratzt.«
    »Dann fahrt hinterher.«
    »Geht nicht, Amos. Sie hat den Cherokee genommen und uns ihre Scheißkarre dagelassen. Die hat kein Licht.«
    Einen Moment lang herrschte Schweigen.
    »Bist du schon mal im Winter in Fargo gewesen?«, fragte Rackley.
    Jim stellte das Handy ab und legte es auf das Dach von Sue Lynns Auto, stützte die Arme auf das

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