Die Glut des Zorns (Billy Bob Holland) (German Edition)
Hintertür des Hauses war offen. Ich ging hinein und sah, dass Maisey in ihrem Schlafzimmer war; sie lag auf der Seite und hatte mir den Rücken zugekehrt. Sue Lynn, die junge Indianerin, saß neben ihr auf der Matratze und streichelte Maiseys Haare. Sie fuhr herum, als der Dielenboden unter meinen Füßen knarrte.
»Was machen Sie denn hier?«, sagte ich durch die offene Tür.
»Ich wollte mich nach dem Doktor erkundigen. Geht’s ihm gut?«, sagte sie und stand auf.
»Er ist im Bezirksgefängnis und wird wegen Mordes angeklagt. Klingt das so, als ginge es ihm gut?«, sagte ich.
»Rede nicht so mit ihr, Billy Bob. Sie ist hergekommen, weil sie uns helfen will«, sagte Maisey.
»Sie ist mit Ellisons Bikerbrüdern befreundet, Maisey«, sagte ich.
»Was wissen Sie denn schon?«, sagte Sue Lynn.
»Ich glaube, Sie sind aus purem Eigennutz hier«, sagte ich.
»Schieb dir doch den da rein«, erwiderte sie und zeigte mir den ausgestreckten Mittelfinger.
Sie versuchte mich in Grund und Boden zu starren, hielt es aber nicht durch. Sie stürmte durch die hintere Schlafzimmertür ins Wohnzimmer, ging durch die Fliegendrahttür hinaus und lief die Böschung zum Ufer hinab. Ich ging ihr nach.
»Hören Sie mir mal zu«, sagte ich. »Ich war mal Ordnungshüter. Ich glaube, die Regierung hat Sie in die Berdoo Jesters eingeschleust. Sie wissen, wer Ellison in Brand gesteckt hat, nicht wahr?«
Sie stand im Schatten der Bäume, und ihre dunkle Haut war mit Sonnenflecken gesprenkelt, die durch das Laubdach fielen.
»Sie hätten den Doktor in der Bar oben in Lincoln von Lamar fern halten sollen. Sie wollten ja nicht auf mich hören. Sie sind an allem schuld«, sagte sie.
»Wie heißen Sie mit Familiennamen?«
»Big Medicine.«
»Sind Sie eine Crow?«, sagte ich.
»Woher wissen Sie das?«, sagte sie.
»Einer von Custers Scouts am Little Big Hörn war ein Crow-Indianer namens Big Medicine. Die Scouts wollten ihren Sterbegesang anstimmen, bevor sie in Sitting Bulls Dorf ritten. Custer bezichtigte sie der Feigheit und schickte sie fort. Sie waren die einzigen Überlebenden des Massakers.«
Sie wich zu ihrem Auto zurück, schaute mich mit unstetem Blick wie gebannt an, als wäre ich allwissend oder besäße irgendwelche Zauberkräfte. Obwohl es im Schatten kühl war, hatte sie einen schimmernden Schweißring am Hals.
»Das Auto gehört einem Stockcar-Fahrer. Es hat kein Licht. Ich muss es vor Einbruch der Dunkelheit zum Schrottplatz zurückbringen«, sagte sie.
»Wyatt Dixon ist ein gefährlicher Mann. Lassen Sie sich von den Jungs von der Bundespolizei nicht benutzen.«
Sie tastete hinter sich nach dem Türgriff des Autos, dann wirkte sie einen Moment lang nachdenklich, so als ob sie einen Entschluss fasste, vielleicht sogar so etwas wie Vertrauen.
»Angenommen, ich kenne ein paar Regierungsfuzzis? Wieso sollten die mich fragen, ob Lamar und die anderen in Kingman, Arizona, gewesen sind?«, sagte sie.
»Die Männer, die das Alfred P. Murrah Building in Oklahoma City in die Luft gejagt haben, haben sich dort ab und zu herumgetrieben«, sagte ich.
Sie bewegte schweigend die Lippen, als wiederholte sie die Worte für sich, als ob sie das ganze Ausmaß dessen, was sie bedeuteten, nicht erfassen könnte.
Ein mit Doc befreundeter Anwalt reichte für mich ein Prohac-vice-Ersuchen ein, das mich ermächtigte, in diesem einen Fall Doc zu vertreten, ohne dass ich die Zulassungsprüfung der Anwaltskammer von Montana ablegen musste. Am Dienstagnachmittag wurde Doc gegen eine Kaution von zweihunderttausend Dollar aus der Haft entlassen.
Als wir hinausgingen, schien die Sonne auf die Hügel, die Luft roch nach frisch gemähtem Gras, und Regentropfen schlugen auf den warmen Beton.
»Wie wär’s, wenn ich dich zum Essen einlade?«, sagte ich.
»Wo ist Maisey?«
»Zu Hause.«
»Wollte sie nicht mitkommen?«
»Ich verstehe nicht allzu viel davon, Doc, aber ich glaube, wenn man vergewaltigt wird, ist das so ähnlich, wie wenn einem die Seele geraubt wird. Du musst ihr ein bisschen Zeit lassen.«
»Klar«, sagte er mit ausdrucksloser Miene und wandte den Blick ab. »Gehen wir was essen.«
An diesem Abend las Xavier Girard bei einer Veranstaltung der Universität aus seinem neuesten Roman vor, der ihm nach Meinung mancher Leute zum dritten Mal den Edgar-Allan-Poe-Preis für den besten Kriminalroman des Jahres einbringen könnte. Der Saal war voller Studenten, Dozenten und einheimischer Schriftsteller. Inmitten des Publikums saß
Weitere Kostenlose Bücher