Die Glut des Zorns (Billy Bob Holland) (German Edition)
den Fluss überqueren und oben in einem Cañon über dem alten Gleisbett Rehe und Bären jagen. In diesem Frühjahr hatte er einen Schwarzbären geschossen und mit den Hinterbeinen an einer Motorwinde aufgehängt, um ihn auszuweiden, hatte sich dann besoffen und das Fleisch vergammeln lassen. Der Bär hing immer noch im Schuppen, von oben bis unten mit Schmeißfliegen bedeckt, und stank zum Himmel, wenn sich das Blechdach im Lauf des Tages aufheizte.
Mit bloßem Oberkörper setzte er sich in seiner dunklen Hütte auf die Bettkante, rauchte einen Joint und trank eine Literflasche Bier, legte sich dann aufs Kissen und wollte schlafen. Morgen war ein anderer Tag. Über dem Knast ging die gleiche Sonne auf wie am Fluss. Du musst bloß auf Zack bleiben. Wo du das machst, ist egal.
Im Traum meinte er zu hören, wie der Bär an der Motorwinde im Schuppen leicht hin und her pendelte, dann wachte er auf, und mit einem Mal wurde ihm klar, dass jemand bei ihm in der Hütte war.
Eine Kette wurde ihm auf die Kehle gedrückt, dass die Glieder in die Haut schnitten. Lamar zerrte mit den Fingern daran, aber die dunkle Gestalt, die über ihm stand, schob ein Rohr über den Spierengriff, wie ein Holzarbeiter, wenn er eine Kette festklemmte, drückte die Spiere nach unten und straffte die Kette, bis Lamar der Speichel aus den Mundwinkeln rann.
Lamar hörte eine Flüssigkeit in einem Blechkanister schwappen, dann das Pladdern, als sie auf den Boden gegossen wurde. Der unverkennbar scharfe Geruch nach Verdünnungsmittel stieg ihm in die Nase. Die Gestalt riss ein Streichholz an, und in dem Lichtschein sah Lamar ganz kurz ein Gesicht, das fremd und vertraut zugleich war.
In Sekundenschnelle breitete sich das Feuer unter dem Bett aus. Lamar keilte mit den Beinen aus, warf den Kopf hin und her und schlug sich mit den Fäusten an den Schädel.
Das Feuer wallte über ihm auf, und inmitten der Flammen meinte er ein Summen zu hören, als umschwärmten ihn tausend Schmeißfliegen, und einen Moment lang sah er sich mit dem Kopf nach unten über einem hellen Spalt in der Erde hängen, obwohl er seit langem überzeugt war, dass es den gar nicht gab.
10. KAPITEL
Scharfsinnig, wie er war, und mit der für ihn typischen Zielstrebigkeit nahm Sheriff Cain Doc Voss am folgenden Nachmittag fest und ließ ihn ins Bezirksgefängnis bringen.
Ich ging ins Büro des Sheriffs, ohne vorher anzuklopfen. Er senkte die Zeitung, die er gerade las, und schaute mich über seine Brille hinweg an.
»Sind Sie im Schweinekoben aufgewachsen?«, sagte er.
»Glauben Sie etwa, Sie kommen mit so etwas durch?«, sagte ich.
Er nahm die Füße vom Schreibtisch. »Mal sehen, ob ich Sie recht verstehe«, sagte er. »Sie sind also irgendwie der Meinung, dass ich nicht dazu befugt wäre, einen Freund von Ihnen wegen Mordverdachts einzusperren?«
»Aufgrund welcher Beweise?«
Er gähnte. »Bei einem früheren Zusammenstoß hat er das Opfer in einer Bar fast umgebracht. Später hat das Opfer die Tochter des Verdächtigen vergewaltigt. Der Verdächtige, und ich meine damit Dr. Voss, war in Vietnam beim Phoenix Program und hat vermutlich anderen Menschen Sachen angetan, bei denen die meisten Leute das Kotzen kriegen würden. Wen würden Sie sich denn vornehmen, wenn Sie noch Texas Ranger wären?«
»Nur weil er in Vietnam war, ist er noch lange kein Mörder. Was ist mit Ihnen los?«
»Habe ich schon erwähnt, dass wir am Tatort ein Jagdmesser gefunden haben, an dessen Knochengriff sich die Fingerabdrücke des Doktors befanden?«, fragte der Sheriff.
Ich setzte zu einer Erwiderung an, wollte irgendetwas sagen, das seine Worte entkräftete, aber ich hatte plötzlich einentrockenen Hals, während sich meine Hände feucht und steif anfühlten, sodass ich kaum die Fäuste ballen konnte.
»Schließen Sie die Tür, wenn Sie gehen«, sagte der Sheriff.
»Ellison war in Docs Haus. Dort hat er das Messer mitgehen lassen. Waren seine Fingerabdrücke drauf?«, sagte ich.
»Nein.«
Ich rieb mir die Stirn und versuchte nachzudenken.
»Schauen Sie, Maisey sagt, dass wenigstens einer der Männer, die sie vergewaltigt haben, Handschuhe trug. Das war Ellison«, sagte ich.
»Gut. Dr. Voss’ Verteidiger kann das vor Gericht vorbringen.«
»Ellison war ein Spitzel. Die Leute, mit denen er sich rumgetrieben hat, wollten, dass er draufgeht. Reden Sie mit dem ATF«, sagte ich.
»Die meisten dieser Jungs vom Bund fallen für mich unter die Kategorie AA. Was wiederum heißt, dass ich
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