Die Goblins 01 - Die Goblins
leise, als dass Ryslind etwas mitbekommen konnte, und Riana war zu abgelenkt, um zu versuchen zuzuhören. Aber Goblinohren waren nicht umsonst so groß. Nach allem, was er in der letzten Stunde gesehen hatte, hatte Jig nicht vor, irgendjemand hinter seinem Rücken Ränke schmieden zu lassen.
»Wie lang noch, bis das Gift sie hinrafft?«, wollte Barius wissen.
»Es ist nicht das Hinraffen, welches mir Sorgen bereitet. Du hast ihren Finger gesehen: Tot, aber er bewegt sich immer noch. Ich fürchte, was sie werden wird.«
Jig nickte. Er hatte dasselbe gesehen. Gut zu wissen, dass Darnak einer Meinung mit ihm war.
»Wenn das Gift sich ihrer bemächtigt, könnte sie sich gegen uns wenden. So weit darf es nicht kommen.«
»Und was verlangst du von mir dagegen zu unternehmen?«, erkundigte sich Darnak misstrauisch.
»Ich werde das Mädchen ablenken. Lasse ihr Ende kurz und schmerzlos sein.«
Barius war so gelassen, dass es einige Herzschläge dauerte, bis Jig begriff, was er da sagte. Er wollte Riana umbringen! Nein, das war nicht wahr: Er wollte, dass Darnak es tat.
»Ich werde nicht ein unschuldiges Mädchen kaltblütig ermorden, noch ist dieser Gedanke eines Prinzen würdig«, wies ihn Darnak streng zurecht. »Von einem Goblin hätte ich so etwas erwartet, von dir jedoch nicht.«
Jig blickte finster drein. Warum hätte er einen solchen Vorschlag machen sollen? Sie hörten ihm doch sowieso nicht zu. Und selbst wenn, hätte er nicht vorgeschlagen, Riana zu ermorden. Weglaufen, bevor ihre Verwandlung abgeschlossen war, vielleicht, aber nicht Mord.
»Sie ist keine Unschuldige!«, verwahrte sich Barius barsch. »Sie ist eine Diebin. Von Gesetzes wegen hätte sie von dem Moment an eingesperrt gehört, in dem sie versucht hat uns auszurauben.«
»Eingesperrt, aye.« Er nahm einen weiteren kräftigen Schluck aus seinem Weinschlauch. »Aber nicht hingerichtet. Dein Vater würde meinen Kopf verlangen, wenn …«
»Mein Vater ist nicht hier bei uns. In seiner Abwesenheit ist mein Wort Gesetz.«
Darnak versank in Schweigen. Jig riskierte einen schnellen Blick nach hinten, um zu sehen, was die beiden taten. Sie standen sich mit verschränkten Armen gegenüber, und Darnak schüttelte den Kopf.
Jig bemerkte ebenfalls, dass Ryslind an die Wand gelehnt dastand und gelangweilt wirkte. Einzig seine fast unmerklich geschürzten Lippen waren ein Indiz für seine Belustigung. Wahrscheinlich konnte er nicht so gut wie Jig hören, worum die Diskussion ging, aber das spielte keine Rolle. Er kannte Darnak und seinen Bruder und musste erraten haben, was Barius vorhatte. Er wartete nur darauf zu hören, wer als Sieger aus der Debatte hervorgehen würde.
»Ich werde es nicht tun«, sagte Darnak schließlich. »Ich werde nicht kaltblütig ein Mädchen ermorden. Nicht einmal für dich.«
Jig nickte befriedigt. Es verstrich jedoch nur ein Augenblick, bis ihm klar wurde, was der Zwerg nicht gesagt hatte. Er würde Riana nicht töten, aber er würde Barius auch nicht daran hindern, es zu tun. Jig blickte erneut zu den beiden hin und sah, wie Barius auf Riana zuging. Seine Hände waren leer und sein Gesicht ebenso. Ryslind fasste hinter seinem Bruder Tritt.
»Riana, gib mir deine Hand«, wisperte Jig. Sie gehorchte, zu verängstigt, um zu diskutieren.
Jig verdrehte die Augen. »Die andere!«
Zitternd streckte sie ihm ihre vergiftete Hand hin. Die Verwesung hatte mittlerweile den größten Teil des Fingers ergriffen; nur unterhalb des obersten Knöchels war noch ein schmaler Streifen gesunder Haut zu sehen. Jig betrachtete sich die Stelle genau und bog die anderen Finger zurück, um besser sehen zu können.
»Was wird passieren?« Frische Tränen rollten ihre Wangen hinab und ließen sie wie ein kleines Kind aussehen.
»Wie alt bist du?«, fragte Jig geistesabwesend.
»Sechzehn.«
Er machte große Augen. »Aber ich dachte, Elben werden Hunderte von Jahren alt. Sogar Tausende.«
Das trug ihm ein kleines, tapferes Lächeln ein. »Du meinst, dass wir geboren werden und bereits Jahrhunderte hinter uns haben? Das wäre ja die reinste Hölle für die Mütter!«
Er schüttelte verwirrt den Kopf. Selbstverständlich gab es junge Elben. Es war eben nur so, dass keins der Lieder und keine der Geschichten sie jemals erwähnten; deshalb war in Jigs Vorstellung ein Elb niemals jünger als einhundert Jahre gewesen. Elben waren uralte Wesen, die Ereignisse miterlebt hatten, die anderen Rassen nur als ferne Historie bekannt waren. Dadurch waren
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