Die Goblins 01 - Die Goblins
wurde und in die Wand des Abgrunds krachte.
Noch ein paar Schritte, und sie hatten es geschafft. Sobald sie die Brücke verließen und den Tunnel betraten, gaben die Fledermäuse auf, drehten ab und widmeten sich wieder dem, was sie taten, wenn sie gerade keine unschuldigen Abenteurer angriffen. Na ja, vielleicht war ›unschuldig‹ nicht ganz das richtige Wort.
Trotzdem fragte sich Jig, wie das Leben für Riesenfledermäuse aussehen mochte, die in einem endlosen Abgrund gefangen waren. Verbrachten sie ihre Tage damit, genug Insekten zu finden, um dem Hungertod zu entgehen? Wenn es so war, dann war es kein Wunder, dass sie die Gruppe so verzweifelt attackiert hatten. Das wäre vielleicht ihre erste richtige Mahlzeit seit Monaten, vielleicht sogar Jahren gewesen. Wessen grausame Idee war es überhaupt gewesen, Fledermäuse in dem Abgrund einzusperren? War das Teil von Ellnoreins Plan, als er diesen Ort erschaffen hatte? Vielleicht hatte ja auch Straum, der Drache, sie hierher verbannt.
Wie lange mochten diese Kreaturen schon hier leben, ohne etwas von den Dingen außerhalb ihrer Grube zu wissen? Andererseits, dasselbe konnte man von den Goblins sagen. Tausende von Jahren hatten die Goblins in ihrer kleinen Höhle gehaust, und die wenigen, die den Weg in die Außenwelt gewagt hatten, waren nie zurückgekehrt. Er fragte sich, welche Auswirkungen diese Art der Isolation über die Jahrhunderte hinweg bei seinem Volk gehabt hatte.
Während er den anderen folgte, entschied Jig, dass er es eigentlich ganz gut fand, dass die Fledermäuse ihrer Grube nicht entkommen konnten. Was er von diesen schwarzäugigen, plattnasigen Borstengesichtern gesehen hatte, reichte ihm für den Rest seines Lebens.
Den Rest seines Lebens – oder wenigstens bis er und die Übrigen auf dem Weg zurück wieder hierherkamen und die Brücke noch einmal überqueren mussten. Der Gedanke störte ihn nicht einmal besonders. Wie groß war wohl die Wahrscheinlichkeit, dass sie sowohl den Nekromanten als auch den Drachen überlebten? Seine Chancen, die Brücke wiederzusehen, waren mager; warum sich also wegen der Fledermäuse sorgen?
Allmählich kehrte sein Hörvermögen zurück, und im Gepäck führte es rasende Kopfschmerzen mit sich. Jig kam sich vor, als wäre Klecks in sein Ohr geklettert und hätte sein Gehirn in Brand gesetzt. Möglicherweise hatten die winzigen Ohren der Menschen ja doch ihre Vorteile, denn weder sie noch der Zwerg schienen an irgendwelchen Nachwirkungen des betäubenden Kreischens zu leiden, das immer noch gelegentlich durch den Tunnel hinter ihnen herschallte. Auch Riana schien keine Probleme zu haben, aber selbst ihre schlanken Ohren hätte jeder Goblin als klein und missgebildet verspottet.
Darnak hatte ihn schon einmal geheilt, erinnerte sich Jig. Ob er und Silas Erdemacher etwas gegen seine Kopfschmerzen unternehmen konnten? Was noch wichtiger war, würden sie sich die Mühe machen? Vermutlich nicht, sagte er sich. Welcher Gott vergeudete schon seine Zeit und Macht mit einem Goblin?
Ein erneutes Kreischen fachte den Brand in Jigs Schädel zur Weißglut an, und er überlegte es sich anders. Was ist das Schlimmste, was die Götter tun können? Mich fürs Fragen niederschmettern? Immerhin wären dann die Schmerzen vorbei.
Jig eilte zu Darnak. Er hatte die Hand schon ausgestreckt, um den Zwerg am Ärmel zu ziehen, als weiter vorn Ryslind stolperte.
Der Zauberer fiel auf die Knie und presste die Handflächen auf die Ohren. Die Tätowierungen auf seinen Händen wanden sich im Licht.
Ein eigenartiger Druck erfüllte die Luft, und Jigs Haut kribbelte.
»Geht zurück, und lasst mich allein!«, schrie Ryslind.
Barius, der schon unterwegs an die Seite seines Bruders war, blieb augenblicklich stehen. Riana wich zurück, bis sie den Prinzen zwischen sich und Ryslind gebracht hatte.
»Geht weg!«, befahl Ryslind.
Jig persönlich hielt das für den weisesten Vorschlag, den einer der Menschen bisher von sich gegeben hatte. Also begann Barius natürlich zu diskutieren.
»Was soll das? Meiner Queste entsagen? Gewiss scherzest du, Bruder!« Barius kreuzte die Arme. Sein Fuß klopfte ungeduldig auf den Marmorboden. »Wenn dies nichts weiter als eine Schmierenkomödie ist, um mich abzuschrecken und dir zu gestatten, des Zepters habhaft zu werden, dann werde ich äußerst erzürnt sein.«
Ryslind knurrte, ein Geräusch, das eher der Kehle eines Tiers denn eines Menschen zu entstammen schien. Seine roten Augen hefteten sich auf
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