Die Godin
Gendarm ist auch hin zu ihr und wollts ausfragen, aber…«
»Sie redt nichts…«, ergänzte der Stadler verstehend.
»Müllner Marie, haben die Leut gesagt«, wiederholte der Nauferger und seufzte, »… Müllner Marie, was läuft denn die Mühl?«
Kaneder brüllte so laut, daß die Männer zusammenzuckten. »Ist der Bazi allerweil noch da?! Jetzt ghörst der Katz!« Mit stampfenden Schritten kam er über den Marktplatz gelaufen und baute sich mit zorngerötetem Gesicht vor Kajetan auf. Der Wirt blickte verdattert von einem zum anderen.
»Geh weiter, Mannderl! Auf!« Kaneder packte Kajetans Arm. »Und dann erzählst mir, wo du in der Nacht gewesen bist!«
»Im Bett bin ich gewesen!« verteidigte sich Kajetan wütend und versuchte, sich aus dem Griff des Polizisten zu winden.
»Ah was!« schrie Kaneder. »Wenigstens eine bessere Ausred könntest dir einfallen lassen! Geh weiter.« Er zerrte Kajetan aus dem Stand.
Der Nauferger hatte sich von seiner Verblüffung erholt. »Es stimmt, Kaneder!« Vor Aufregung verfiel er ins Du. »Es ist wahr! Du bist auf dem Holzweg! Wenn einer nichts damit zum tun hat, dann ist es der Herr da! Ich hab ihn ja selber gesehen!« Er erzählte dem Gendarm davon, wie sie beide in der Nacht durch die Schüsse erwachten. Mißtrauisch hörte der Wachtmeister zu. Er lockerte den Griff und atmete schnaubend.
»Lügst mich nicht an, Nauferger?«
»Lügen? Ich?« Der Wirt schnappte empört nach Luft.
Der Gendarm trat einen halben Schritt zurück. Noch immer hob und senkte sich seine Brust erregt. »Dann gebens mir auf der Stell Ihren Ausweis«, sagte er finster, »und danach möchte ich Sie nicht mehr da sehen!«
Während Kajetan in seine Tasche griff, stellte sich der Wirt vor den Wachtmeister. »Also, Herr Wachtmeister, das muß ich schon sagen: Wie Sie mit meinen Gästen umgehen!« Er wies mit dem Daumen zu Kajetan. »Meinen Sie vielleicht, daß der noch einmal zu uns herkommt?«
»Mir wurscht«, knurrte der Gendarm, während er Kajetans Papier in Empfang nahm und sich daraus Notizen machte. »Seit der da ist, ist eine Unruh in Sarzhofen. Wie wenn er den Verdruß anziehen würde.«
Er gab die Papiere zurück.
»Und jetzt«, befahl er mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete, »sinds dahin! Auf der Stell!«
»Wenns meinen, Herr Kommissar!« sagte Kajetan spitz. Bevor der Wachtmeister explodieren konnte, befand er sich bereits auf der Treppe, die zu seinem Zimmer führte. Wenig später beglich er seine Rechnung und verabschiedete sich. Der Wirt beteuerte, wie unangenehm ihm der Auftritt des Gendarmen gewesen sei. Kajetan möge doch, bat er, eher sein ausgezeichnetes Geselchtes in Erinnerung behalten als diese peinliche Szene. Eigentlich sei Sarzhofen ein friedlicher Ort, und Fremde seien jederzeit gerne gesehen.
Aber auch beim Wirt hatte Kaneders Auftritt Mißtrauen gesät. Er atmete erleichtert auf, als Kajetan das Haus verlassen hatte.
Wenige Minuten, nachdem Kajetan den kleinen Bahnhof erreicht hatte, stampfte auch schon die Lokomotive heran. Stationsvorsteher Thomas sah mißbilligend auf die Uhr: Der Zug war vier Minuten zu spät angekommen. Er, Thomas, würde seinen Ehrgeiz dransetzen, daß er wenigstens pünktlich die Station verlassen würde. Wenn andere unfähig wären, die Züge rechtzeitig abzufertigen - an ihm sollte es nicht liegen. Ihm würde man nichts nachreden können.
Doch niemand hörte zu, als er über die Mentalität dieser Kollegen, die seiner Ansicht nach eher zu den Kameltreibern im Orient, aber nicht in das Deutsche Reich passen würden, schimpfte und mit nervöser Antreiberei versuchte, die Fahrgäste zur Eile zu bewegen. Die Menschen, die sich gemächlich an ihm vorbei bewegten, scherten sich nicht um ihn. In aller Gemütsruhe und mit vielerei Wünschen, Warnungen und Aufträgen, die wieder und wieder in nur unwesentlichen Variationen (»Tu brav sein in der Stadt - ja, Mutter - daß du mir ja brav bist in der Stadt drin - wiesd meinst, Mutter - mach uns keine Schand nicht - ist schon recht, Mutter…«) heruntergeleiert wurden, verabschiedeten sie sich und stiegen ein.
Aus dem Fenster seines Abteils gelehnt, konnte Kajetan sehen, wie sich am Ende des Zugs einige Bauernknechte mühten, Rinder in einen Viehwaggon zu treiben. Der Geruch von Kuhmist erfüllte die Station. Der Vorsteher lief voller Ungeduld auf und ab. Fahrig steckte er die Trillerpfeife in den Mund, hielt die Luft an, nahm sie wieder heraus und schüttelte, von Minute zu
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