Die Götter 2. Das magische Zeichen
Wahrheit über sie herein wie ein Schwall kaltes Wasser. O doch, das würden sie, rief sie sich in Erinnerung. Schließlich hatten Niss und Cael ihrer einzigen Tochter einen wichtigen Teil der Familiengeschichte verschwiegen – also konnte auch Amanón seinen Gefährten etwas Entscheidendes verheimlicht haben! Vielleicht hatte er einen guten Grund dafür gehabt, vielleicht hatte er sie nur schützen wollen, aber wie sich jetzt zeigte, war seine Entscheidung nicht ungefährlich.
Einer plötzlichen Eingebung folgend, holte Lorilis Corenns Tagebuch aus der Kajüte. Sie erinnerte sich an eine Passage, die beschreibt, wie Herzog Reyan das Tagebuch von Maz Achem entschlüsselt hatte. Sie fand die entsprechende Stelle rasch wieder und versuchte, die dortige Vorgehensweise auf Amanóns Aufzeichnungen anzuwenden – vergeblich. Amanón hatte nicht dieselbe Geheimschrift verwendet. Das wäre auch zu einfach gewesen …
» Vielleicht hat Amanón die Lösung ja irgendwo in seinem Arbeitszimmer versteckt! « , brummte Maara. » Wir hätten nicht verschwinden dürfen, ohne es gründlich zu durchsuchen. Jetzt ist es zu spät! Alles war umsonst … «
» Mein Vater hätte den Schlüssel zur Geheimschrift bestimmt nicht am selben Ort versteckt wie die Aufzeichnungen « , widersprach Damián. » Und wenn doch, hätten unsere Feinde ihn finden müssen, und dann hätten sie sich bestimmt nicht die Mühe gemacht, alles abzuschreiben. Sie hätten die Manuskripte einfach entschlüsselt. «
» Nicht unbedingt. Vielleicht haben sie die Seiten abgeschrieben, um sie später in Ruhe entziffern zu können. «
Lorilis hörte dem Streit nur mit halbem Ohr zu. Sie dachte immer noch angestrengt über das Problem nach. Wenn Amanón die Ergebnisse seiner Forschungen niedergeschrieben hatte, ob verschlüsselt oder nicht, dann doch nur, damit sie eines Tages jemand lesen konnte. Und dieser Jemand war mit großer Wahrscheinlichkeit einer der Erben. Vermutlich waren die Schriften sogar für seine Söhne bestimmt … Aber warum hatte er ihnen dann nicht den Schlüssel gegeben?
Plötzlich fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Es war verblüffend einfach. Sie fragte sich, warum bisher niemand auf die Idee gekommen war. Vor allem Damián nicht.
» Ich weiß, warum unsere Feinde dich unbedingt lebend wollen, Damián « , sagte sie mit schwacher Stimme. » Der Schlüssel zu der Geheimschrift bist du ! «
Sechs Augenpaare starrten sie entgeistert an. Plötzlich kam sie sich dumm vor, aber sie war sicher, auf dem richtigen Weg zu sein.
» Ich? Wie das? « , fragte Damián.
» Ich weiß nicht, aber du wirst es schon herausfinden! Denk doch mal nach … Dein Vater hat dir den Schlüssel für seine Aufzeichnungen bestimmt schon vor langer Zeit übermittelt, vielleicht in Form eines Abzählreims oder Rätsels. Oder als kleines Geheimnis, das nur ihr beide kennt « , erläuterte Lorilis aufgeregt. » Er muss dich auf diesen Moment vorbereitet haben, genauso, wie er dir den Keller in Benelia gezeigt hat, in dem wir uns verstecken sollten. Schließlich hat er dir auch gesagt, wie wichtig diese Aufzeichnungen über die Etheker sind, und nur deshalb bist du überhaupt auf die Idee gekommen, sie zu holen. Im Grunde hat Amanón alles getan, um dich auf den Ernstfall vorzubereiten. «
Lorilis wunderte sich selbst, wie klar sie alles sah. Je länger sie sprach, umso einleuchtender erschien ihr diese Vermutung. Ihre Gefährten waren zwar verblüfft, widersprachen aber nicht. Alle Blicke waren jetzt auf Damián gerichtet.
» Ich habe keine Ahnung, was dieser Schlüssel sein könnte « , sagte Damián bedauernd.
» Es fällt dir schon noch ein « , meinte Guederic aufmunternd. » Die Kleine hat bestimmt Recht. Das klingt ganz nach unserem Vater. «
» Aber was könnte die Lösung sein? « , fragte Damián stirnrunzelnd. » Ich weiß nicht mal, wonach ich suchen soll! Es muss eine andere Erklärung geben! «
» Mach dir keine Sorgen « , erwiderte sein Bruder. » Auf einen Tag mehr oder weniger kommt es jetzt auch nicht mehr an. Ich wette, die Lösung fällt dir ein, wenn du am wenigsten damit rechnest. «
» Du hast gut reden … Schließlich steckst du nicht in meiner Haut! «
» Tja, ich kann dir leider nicht helfen « , feixte Guederic. » Das hast du nun davon, dass du so ein guter Junge bist. «
Er zwinkerte seinem Bruder zu, konnte ihn aber nicht aufheitern. Damián durchforstete seine Erinnerungen verzweifelt nach dem geheimnisvollen Schlüssel, ohne
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