Die Götter - Das Schicksal von Ji: Die Götter 4 - Roman (German Edition)
warf Souanne einen herablassenden Blick zu, drehte sich um und stapfte davon. Nun bereute Souanne ihr abweisendes Verhalten. Maara und sie waren nie die besten Freundinnen gewesen, aber sie hatten viele Gefahren gemeinsam durchgestanden und einander mehrmals das Leben gerettet. Und gerade eben hatte die Kriegerin erneut ihre Loyalität bewiesen. Da konnte Souanne sie nicht einfach so wegschicken.
» Maara! Bitte bleib«, rief sie ihr hinterher.
Als sich die Kriegerin widerwillig umdrehte, fügte sie hinzu: » Lass uns ein bisschen reden. Das wird mir guttun.«
Maara verdrehte der Form halber die Augen, kam aber dann doch zurück, und die beiden Frauen gingen Seite an Seite weiter. Zunächst herrschte verlegenes Schweigen, was aber dank der notorischen Ungeduld der Wallattin nicht lange anhielt.
» Du bist also jetzt eine Göttin«, sagte sie unvermittelt. » Und wie ist das so?«
Souanne verschlug es die Sprache. Die Kriegerin hatte ein besonderes Geschick dafür, Dinge, über die ihr Gegenüber nicht reden wollte, anzusprechen. Zunächst antwortete die Legionärin nicht, aber dann sah sie ein, dass sie dieses Gespräch nicht ewig aufschieben konnte. Und Maaras Freimütigkeit würde ihr vielleicht helfen, sich über ihre Gefühle klar zu werden.
» Ich bin verwirrt«, gestand sie. » Die meiste Zeit denke ich, dass es Unsinn ist. Ich bin niemand anders als ich selbst, Souanne, eine Graue Legionärin aus Lorelia. Aber wenn ich an all die merkwürdigen Zufälle der letzten Zeit denke, zum Beispiel, wie leicht ich die ethekischen Pforten gefunden habe und wie vertraut mir hier alles erscheint, kommen mir Zweifel. Vielleicht bin ich wirklich Eurydis’ Wiedergeburt.
» Es gibt Schlimmeres«, wiegelte Maara ab. » Für solch eine Herkunft musst du dich wenigstens nicht schämen…«
» Aber es geht um Eurydis! In Wallos mag sie keine große Bedeutung haben, aber in den Oberen Königreichen wird sie als die wichtigste Gottheit verehrt.«
» Umso besser«, sagte Maara lapidar.
Souanne war bass erstaunt. Sie hatte mit allem Möglichen gerechnet, aber nicht mit solch einer Reaktion. Ob die anderen Erben die Sache auch so leicht nahmen? Das wäre eine große Erleichterung.
» Außerdem bist du ja nicht Eurydis selbst, sondern nur ihre Wiedergeburt«, fuhr Maara fort. » Ihr Geist hat jetzt einen neuen Körper und trägt einen neuen Namen: deinen. Ihre Erinnerungen sind verblasst, und du hast deine eigenen. Es ist dein Leben, Souanne, dein Körper, es sind deine Erfahrungen. Wer du in einem früheren Leben warst, spielt keine Rolle mehr.«
Maaras Worte bewegten Souanne tief. Plötzlich sah sie die Kriegerin in einem ganz neuen Licht. Die anderen mochten es längst bemerkt haben, aber ihr war bisher nicht aufgefallen, dass die Wallattin nicht nur jähzornig und starrsinnig sein konnte, sondern auch erstaunlich weise war und über einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn verfügte.
» Wenn das so einfach wäre«, erwiderte Souanne. » Die seltsamen Kräfte, die ich seit einer Weile in mir spüre und die jeden Tag größer werden, stammen nicht aus meinem jetzigen Leben, sondern aus einem früheren.«
» Sieh es doch als Vermächtnis«, schlug Maara vor. » Du bist schließlich nicht grundlos zu uns Erben gestoßen.«
» Aber ich habe das Gefühl, als lauerten Eurydis’ Erinnerungen dicht unter der Oberfläche meines Selbst«, gestand Souanne. » Ich fürchte ständig, dass mich eine unbekannte Vergangenheit überwältigt und mir den Verstand raubt.«
Darauf wusste Maara keine Antwort. Sie blickte in die Richtung, in die Zejabel, Guederic und Josion gegangen waren, und schwieg eine ganze Weile. Da begriff Souanne, worum es hier ging. Wie hatte sie nur so naiv sein können! Indem Maara versuchte, Souanne zu beruhigen, wollte sie vor allem ihre eigenen Befürchtungen zerstreuen, dass sich Guederic in einen Dämon verwandelte.
» Du wirst nicht den Verstand verlieren«, versicherte die Wallattin nach einer Weile. » Bevor Eurydis Tausende Seelen in sich aufnahm, war sie ein von sterblichen Eltern gezeugtes Kind mit einer einzigen Seele. Das ist die Seele, die in dir wohnt. Vielleicht macht sie dich einfach nur weiser als wir anderen zusammen.«
Sie sahen sich an und lachten angespannt. Doch beiden war klar, dass Maaras Worte reines Wunschdenken waren.
» Eines werde ich jedenfalls nicht so schnell vergessen«, fuhr Maara fort. » Saat ist an dem ganzen Mist schuld. Wenn wir ihm endlich den Garaus gemacht haben,
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