Die Götter - Das Schicksal von Ji: Die Götter 4 - Roman (German Edition)
Doch jetzt war er nur noch ein ratloser alter Mann. Guederic erzählte kurz, unter welchen Umständen sie davon erfahren hatten, aber das schien Nol nur noch mehr zu verwirren.
» Im Jal?«, stotterte er. » Wie kann das…? Usul hat…? Aber das würde ja bedeuten…«
Seine letzten Worte waren nur noch ein Flüstern, und das anschließende Gestammel des Alten war gar nicht mehr zu verstehen. Guederic dachte schon, er müsse seine Frage wiederholen, als sich Nol plötzlich erhob und entschlossenen Schrittes fortging.
Als sie begriffen, was er vorhatte, sprangen die Erben fast gleichzeitig auf.
Der Hüter marschierte geradewegs auf die Pforte zu.
Anfangs machte sich Lorilis große Vorwürfe, weil sie sich verplappert hatte, aber angesichts der Wendung der Ereignisse bereute sie es nicht mehr. Wollte Nol wirklich versuchen, was sie vermutete? Würde der Hüter einen Durchgang zum Jal öffnen, obwohl es den Ort eigentlich gar nicht mehr gab? Würde ihre Reise in wenigen Dezillen ein glückliches Ende finden? Könnte sie endlich ihren Eltern in die Arme fallen und eine Antwort auf alle noch offenen Fragen bekommen?
Als der Greis ein paar Schritte vor dem gewaltigen Steinbogen stehen blieb, war Lorilis fest davon überzeugt, dass nun alles gut würde. Sie konnte nicht mehr stillstehen und trat aufgeregt von einem Fuß auf den anderen. Jeden Moment würde sie ihre Eltern wiedersehen! Bei diesem Gedanken ließ sie sich abermals von der Magie des Ortes mitreißen. Als Najel neben sie trat, griff sie nach seiner Hand und drückte ihm spontan einen Kuss auf die Lippen. Der Junge lächelte sie an, aber sein Blick war besorgt.
» Es wird vielleicht nicht funktionieren«, mahnte er. » Wir müssen uns auf eine Enttäuschung gefasst machen.«
Das junge Mädchen schüttelte den Kopf, aber ihre Begeisterung hatte einen Dämpfer bekommen. Najel hatte recht. Noch nie zuvor hatten die Erben etwas erreicht, ohne vorher schwere Prüfungen bestehen zu müssen. Wieso sollte es diesmal anders sein?
Ernüchtert beobachtete Lorilis die Szene nun ebenso zurückhaltend wie ihre Gefährten. Obwohl alle beinahe vor Ungeduld platzten, rissen sie sich zusammen, um Nols Konzentration nicht zu stören.
Lorilis hatte keine Vorstellung davon, wie lange es dauerte, die Pforte zu öffnen. Sie hatte angenommen, dass es ganz schnell gehen würde. Aber vielleicht musste der Hüter erst die wenigen Kräfte sammeln, die ihm noch zur Verfügung standen.
Es verging eine Dezille, dann zwei und schließlich fünf, ohne dass sich der Greis regte oder die Augen öffnete. Allmählich zeichnete sich auf den Gesichtern der Erben Enttäuschung ab. Also hatte Najel recht gehabt. Maara und Guederic konnten sich nicht mehr beherrschen und seufzten und schnaubten ungeduldig. Vielleicht hatte Nol die Macht verloren, einen Durchgang zu öffnen. Vielleicht war er aber auch nur zur Pforte gegangen, um zu beten, sich zu sammeln oder im Stillen sein Los zu beklagen.
Als Nol schließlich die Augen öffnete und sich zu den Erben umwandte, begriff Lorilis, dass kein Wunder geschehen würde. Sie ließ Najels Hand los. Nicht, um ihn für seine Zweifel zu bestrafen, sondern weil sie sich Tränen der Enttäuschung von den Wangen wischen musste.
» Ich schaffe es nicht«, murmelte Nol. » Ich hatte gehofft, eine Verbindung herstellen zu können, aber es geht nicht. Die Gärten des Dara existieren nicht mehr.« Er war am Boden zerstört.
Plötzlich schämte sich Lorilis ihrer Selbstsucht. Sie hatte nicht bedacht, dass Nol alles dafür gegeben hätte, zu seinen Schützlingen zurückzukehren.
» Vielleicht sind unsere Eltern ja auch im Karu«, brachte Josion vorsichtig an. » Usul hat nur vom Jal gesprochen…«
» Die Unterwelt hat sich ebenso aufgelöst wie die Gärten«, sagte der Hüter kopfschüttelnd. » Keine Pforte der Welt kann uns mehr dorthin bringen.«
» Aber vielleicht kann uns diese Pforte ja woanders hinbringen…«
Alle wandten sich zu Souanne um, die seit dem Morgengrauen kaum gesprochen hatte. Die Legionärin schien sich in dem Tal nicht besonders wohlzufühlen, was Lorilis nur verständlich fand: Nol hatte mehrmals angedeutet, Souanne sei Eurydis’ Wiedergeburt.
» Ich möchte bloß wissen, welche Möglichkeiten wir haben«, fuhr die Legionärin fort. » Irgendwann müssen wir hier weg, und ich habe nicht die geringste Lust, noch einmal durch die unterirdischen Gänge zu laufen. So viel Glück wie auf dem Hinweg haben wir sicher kein zweites
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