Die Götter der Flusswelt - Flusswelt-Zyklus 5
Ausgang für uns öffnen. Bis dahin sind wir Gefangene. Aber unser Gefängnis ist unermeßlich groß und hat gewiß mehr Schätze anzubieten als die Erde, auf der wir lebten, oder die Flußwelt. Die Schätze sind physikalischer, geistiger, moralischer und geistlicher Natur. Ich schlage vor, wir finden heraus, um welche Schätze es sich handelt und wie wir sie nutzen können. Fangen wir an! Wir können nicht in dieser Zimmerflucht eingepfercht bleiben.
Zwischenzeitlich werden wir natürlich versuchen, uns eine Möglichkeit auszudenken, wie wir die übergeordneten Befehle des Unbekannten durch Befehle außer Kraft setzen können. Was der eine errichtet, kann der andere niederreißen. Der Unbekannte ist kein Gott.«
»Willst du damit sagen, wir sollten in unsere Wohnungen zurückkehren und dort leben, als gäbe es den Unbekannten nicht?« fragte Burton.
»Ich will damit sagen, wir sollten das eng begrenzte Gebiet, unser kleines Gefängnis verlassen und ins größere Gefängnis hinausgehen. Schließlich war auch die Erde ein Gefängnis. Und das Flußtal. Aber wenn man sich in einem Gebiet aufhält, das groß genug ist, um einem die Illusion von Freiheit zu geben, hält man sich nicht mehr für einen Gefangenen. Der halbfreie Mensch ist der, der sich für frei hält. Der wirklich freie Mensch ist der, der genau weiß, was er in seinem Gefängnis bewirken kann - und es auch bewirkt.«
»Die Weisheit eines Sufi«, sagte Burton lächelnd, jedoch mit einem Schnauben in der Stimme. »Wir erscheinen doch wirklich ziemlich lächerlich, nicht wahr? Wir verrennen uns und fragen uns dann, warum wir gerannt sind. Und kommen dann zu dem Schluß, daß wir gar nicht hätten rennen brauchen.«
»Wir sind dem Instinkt gefolgt«, sagte Nur. »Das war ein Fehler. Wir mußten einen Ort finden, an dem wir in Sicherheit waren. Oder dies wenigstens glauben konnten. Damit wir relativen Seelenfrieden finden konnten, um unsere Lage zu überdenken.«
»Die sich jedoch nicht als Seelenfrieden erwies. Nun, ich fühle mich tatsächlich besser. Ich komme mir nicht mehr unbedingt wie ein Gefangener vor. Und die aufgestapelten Möbelstücke stören mich. Reißen wir sie nieder.«
»Bevor wir das tun, muß ich euch etwas sagen«, warf Frigate ein.
Burton, der schon zur Tür gegangen war, blieb stehen und drehte sich um.
»Nur war nicht der einzige, der ein paar unabhängige Nachforschungen betrieben hat«, sagte Frigate. »Wie ihr wißt, kann Monat wegen Logas Befehl, den der Schnark noch bekräftigt hat, nicht wiederbelebt werden. Monats Körperaufzeichnung ist aber noch vorhanden. Ich habe den Computer angewiesen, sein Wathan im Schacht ausfindig zu machen. Die Antwort war, es sei zwar dort gewesen, wäre jetzt jedoch verschwunden. Ihr wißt, was das bedeutet. Monat ist Vorangeschritten.«
Tränen strömten über Burtons Gesicht, und mit der Trauer kam die Überraschung, daß er überhaupt Trauer empfand. Er hatte bis zu diesem Moment nicht gewußt, was Monat ihm wirklich bedeutete. Der seltsam aussehende, offenbar nicht von der Erde stammende Monat war einer der ersten Menschen gewesen, denen er nach seiner ersten Auferstehung begegnet war. Monat hatte Burton lange Zeit im Tal begleitet und ihn durch sein Mitgefühl und seine Weisheit beeindruckt. Er war ihm warmherzig erschienen. Trotz seiner äußeren Andersartigkeit war er völlig menschlich gewesen; das heißt so, wie Menschen im Idealfall eigentlich sein sollten.
Irgendwie war Burton dazu gekommen, in Monat eine Vaterfigur zu sehen, ein Wesen, das stärker und weiser war als er, ein Lehrer, ein Aufzeiger des richtigen Weges. Und nun war Monat für immer von ihm gegangen.
Warum vergoß er Tränen und war bekümmert? Er sollte glücklich sein, wunderbar glücklich, da Monat das Stadium erreicht hatte, in dem er das ihn behindernde Fleisch nicht mehr erdulden mußte.
Weinte er, weil er einen gewissen Verlust verspürte? Hatte er tief im dunklen Unterbewußtsein gehofft, daß Monat sich irgendwie von Logas Joch befreien und - kurz gesagt - zu einem Erlöser werden würde? Hatte er damit gerechnet, daß Monat aus den Speichern auferstehen würde wie Jesus aus dem Grabe, wie Arthur aus dem See oder Karl der Große aus seiner Höhle, um die Besiegten und die Bedrängten zu erretten?
Es war seltsam, solche Gedanken zu haben. Sie mußten irgendwo in seinem Inneren gekreist sein und auf den richtigen Moment gewartet haben, um hervorzukommen.
Burtons eigener
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