Die Götter der Flusswelt - Flusswelt-Zyklus 5
Computer um eine Bibliographie sämtlicher Bücher, die sich in englischer Sprache über den Ripper in den Speichern befanden. Die Agenten der Ethiker, die den Auftrag erhalten hatten, Literatur über den Ripper zu erwerben, waren sehr gründlich vorgegangen. Frigate unterbrach seine Arbeit ein paar Minuten, um sie zu überprüfen, und empfahl Burton diejenigen, die ihm für den Anfang am nützlichsten erschienen.
»Ich würde zuerst ein Buch von Steven Knight lesen, Jack the Ripper: Die Endlösung, veröffentlicht 1976. Es beeindruckt mich nicht nur als das am gründlichsten recherchierte und in seiner Argumentation brillanteste und überzeugendste Buch - Sherlock Holmes wäre stolz darauf gewesen -, sondern auch als das einzige, das scheinbar ein paar echte Antworten ausspricht. Einige Kritiker haben jedoch auch auf Schwächen hingewiesen. Ob das Buch nun überwiegend richtige oder falsche - oder nur halbrichtige - Inhalte vermittelt, es eignet sich hervorragend als Sprungbrett, um in den fleischfarbenen Ozean des Geheimnisvollen einzutauchen.«
Es war seltsam, ein Buch in den Händen zu halten, das aus der Kopie eines Werkes bestand, das siebenundachtzig Jahre nach seinem Tod veröffentlicht worden war. Frigate wunderte sich jedoch nicht lange darüber, denn es gab so viele Wunder, daß man ein jedes nur kurz bestaunen konnte. Er las die über 270 Seiten in drei Stunden. Als er das Buch zur Seite legte, hätte er ohne große Irrtümer lange Passagen rezitieren können, die insgesamt mindestens ein Viertel des Textes ausmachten.
Wäre das Buch zu seinen irdischen Lebzeiten erschienen, Burton wäre über seine Unsinnigkeit erzürnt gewesen. Oder doch nicht? Hätte er nicht bei genauer Überlegung und Kenntnis der unmenschlichen und unverantwortlichen Taten der Regierung sowie einzelner Angehöriger der Oberschicht im Kampf um den Erhalt ihrer Macht nicht eingestanden, daß die aufgrund der beschriebenen Ereignisse gezogenen Schlüsse stimmig waren?
Was Knight nach tiefschürfenden und umfassenden Forschungsarbeiten enthüllt und geschlußfolgert hatte, war folgendes:
Im Jahre 1888 standen die Massen, die Armen Englands, Schottlands, Wales’ und Irlands am Rand der Revolution, oder schienen sich zumindest dort zu befinden. Die Radikalen der Linken, die Sozialisten und Anarchisten, prangerten laut die Unterdrückung und das Leid der Arbeiterklasse an. Die Regierung war nicht nur beunruhigt, sie war gelähmt vor Angst, und viele Mitglieder der herrschenden Klasse befürchteten, die Monarchie sei bedroht. Sie überschätzten die Gefahr; ihre Unkenntnis der Massen ließen sie den tiefen Konservativismus des Volkes nicht erkennen. Das Volk wollte keine Veränderung in der Struktur der Monarchie, sondern sichere Arbeit mit guter Bezahlung, Essen, anständige Unterkunft und eine gewisse wirtschaftliche Sicherheit. Es wollte ein Leben führen, wie es sich für Menschen geziemt, und nicht für Ratten.
Königin Victoria, dachte die herrschende Klasse, würde zwar nicht gestürzt werden, aber sie war alt und momentan unpopulär. Wenn sie starb, würde ihr Sohn Edward (»Bertie«) den Thron besteigen. Und er war ein lüsterner, dickschädeliger und völlig unmoralischer Mann, dessen Aktivitäten sich nicht verbergen ließen.
Es gab damals viele Freimaurer in den oberen Ebenen der britischen Regierung, einschließlich des Premierministers, des Marquis von Salisbury. Knight behauptete, diese hochkarätigen Freimaurer seien die wahre Macht hinter dem Thron gewesen, und sie hätten befürchtet, sie und ihre Geheimgesellschaft würden beim Untergang der Monarchie ebenfalls verschwinden.
Prinz Edwards ältester überlebender Sohn, der Herzog von Clarence und Avondale, Albert Victor Christian Edward (»Eddy« für seine Vertrauten), würde im Fall des Todes seines Vaters den Thron besteigen. Er war eine pathetische Gestalt (vom viktorianischen Standpunkt aus gesehen), liebte es, sich unter falschem Namen unter Künstler und andere Bohemiens zu mischen, galt als bisexuell und hatte einst ein Männerbordell besucht. Schlimmer noch, nachdem der Herzog sich in die Verkäuferin Annie Elizabeth Crook verliebt hatte (der Maler Walter Sickert hatte sie ihm vorgestellt), hatte er sie in einer heimlichen Zeremonie geheiratet. Die Hochzeit war in mehrfacher Hinsicht illegal, aber am anstößigsten und gefährlichsten war, daß Eddy eine Frau römisch-katholischen Glaubens geehelicht hatte. Dem Gesetz nach konnte ein
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