Die Götter - Die Macht der Dunkelheit - Grimbert, P: Götter - Die Macht der Dunkelheit - Les Gardiens de Ji, Tome 3: Le deuil écarlate
den Wirt, welche Möglichkeiten es gebe, die Stadt zu verlassen. Er überlegte nicht lange und versprach, sich bei Bekannten zu erkundigen. Dabei ließ er durchblicken, dass er einer kleinen Entschädigung für seine Mühen nicht abgeneigt wäre. Die Erben fassten neue Zuversicht und begannen sich ein wenig zu entspannen.
Alle, außer Souanne.
Nach dem reichhaltigen Essen befiel sie eine seltsame Melancholie. Sie sah sich im Raum um, und ihr Blick blieb bei einem jungen Mann hängen. Er saß allein an einem Tisch am anderen Ende der Gaststube und aß mit den Händen von seinem Teller. Seine Kleider waren völlig zerlumpt, und er wirkte so erschöpft, als hätte er ganz Arkarien zu Fuß durchquert. Souanne lächelte entschuldigend, weil sie ihn angestarrt hatte, aber er reagierte nicht. Er schien sie überhaupt nicht wahrzunehmen, ganz so, als hätte sein Geist längst den ausgemergelten Körper verlassen.
Souanne gab sich die größte Mühe, ihn zu ignorieren, und sei es nur, um nicht gegen irgendeine arkische Anstandsregel zu verstoßen, aber es gelang ihr nicht. Während die anderen Pläne für die nächsten Tage schmiedeten, wanderte ihr Blick immer wieder zu dem armen Tropf hinüber. Sein Schicksal berührte sie zutiefst, und sie hatte fast den Eindruck, seinen Schmerz zu teilen. Nach einer Weile hielt sie es nicht mehr aus und fragte den Wirt nach dem Gast. Der hörte abrupt auf zu lächeln. Souanne fürchtete schon, etwas Falsches gesagt zu haben, aber das war offenbar nicht der Grund für seine Reaktion:
» Ach, das ist nur einer von diesen armen Kerlen, die nicht viel im Kopf haben«, sagte der Wirt mit einem Seufzer. » Sie irren immer wieder ziellos in der Ebene herum und werden von einheimischen Jägern aufgegriffen. Sie müssen von weit her kommen, denn hier kennt sie niemand. Sie sprechen kein Wort und scheinen nichts von dem zu verstehen, was man ihnen sagt. Die meisten sind halb tot vor Hunger und Kälte. Ihr müsst wissen, dass meine Tochter auch ein wenig einfältig war«, erklärte er verlegen. » Sie ist vor langer Zeit von uns gegangen. Jedenfalls tue ich für diese armen Jungen, was ich kann. Ich gebe ihnen etwas zu essen, und sie können sich am Feuer aufwärmen. Und irgendwann ziehen sie dann weiter. Was soll man machen?«
Er erwartete keine Antwort, und Souanne hätte ihm auch keine geben können. Wie um die Worte des Wirts zu unterstreichen, stand der Mann plötzlich auf, durchquerte taumelnd und mit leerem Blick den Saal und verließ das Gasthaus, ohne seinem Wohltäter auch nur mit einem Wort zu danken. Es war ein trauriger Anblick, aber der Wirt schien daran gewöhnt. Als der Mann fort war, machten die Gefährten mit ihrer Reiseplanung weiter.
Souanne hörte allerdings nur mit halbem Ohr zu, denn in Gedanken war sie immer noch bei dem Fremden und seinem Schicksal. Sie hatte das unerklärliche Bedürfnis, ihm zu folgen und ihn zu beschützen.
Ganz so, als wäre er ihr kleiner Bruder.
Nach dem Essen mussten die Erben nicht mehr lange warten. Als der letzte Gast gegangen war, schloss der Wirt die Herberge und ging mit Damián und Maara zum Hafen, wo er sie mehreren vertrauenswürdigen Kapitänen vorstellen wollte. Josion folgte den dreien unauffällig, um seinen Gefährten zu Hilfe zu kommen, falls es Schwierigkeiten geben sollte. Doch Saats Männer mit dem rätselhaften Zeichen auf der Stirn ließen sich nirgends blicken, und auch die Verhandlungen mit den Schiffsbesitzern verliefen friedlich.
Nur zwei Dezimen später wurden sich Damián und Maara mit einem goronischen Ehepaar einig, das einen Kutter von beträchtlicher Größe besaß. Außer den beiden gab es keine weiteren Besatzungsmitglieder. Sie wollten zur Hauptstadt des Kaiserreichs segeln und von Goran aus noch ein Stück weiter über den Beremen auf das Gebirge zu. Diese Route brachte die Erben immerhin in die Nähe ihres Ziels. Das Gebiet, das sie durchstreifen wollten, war ohnehin so groß, dass sie ihre Suche am Fuß jedes beliebigen Bergs beginnen konnten.
Das Schifferehepaar wollte so schnell wie möglich den Anker lichten, und so zogen die Erben los, um eilig ein paar Vorräte bei den Händlern am Hafen zu kaufen, die zum Glück Fremden gegenüber sehr viel aufgeschlossener waren als die mürrischen Arkarier, denen sie auf dem Weg nach Crek begegnet waren. Damián, der über ihren gemeinsamen Geldbeutel wachte, war nicht knauserig und kaufte große Mengen Reiseproviant ein: Trockenfleisch, Dörrobst, Gemüsekuchen,
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