Die Götter - Ruf der Krieger - Grimbert, P: Götter - Ruf der Krieger - Les Gardiens de Ji, Tome 1: La volonté du démon
bin ich auch keine Erklärung schuldig. Meinetwegen leg mir die Handschellen wieder an und ruf die Wache. Ich komm schon allein zurecht.«
Guederic meinte es ernst. Lieber verbrachte er ein paar Tage im Kerker, als seiner Mutter Kummer zu bereiten, denn er liebte Eryne über alles.
Nach wenigen Momenten angespannten Schweigens gab Damián nach. »Sei’s drum, ich sage ihr nichts. Aber
dir ist klar, dass Vater davon erfahren wird, auf welchem Weg auch immer. Vielleicht hat man ihn bereits benachrichtigt. «
»Er erfährt sowieso immer alles«, brummte Guederic mürrisch. »Aber auch er wird Mutter nichts sagen.«
Zumindest hat er das bisher nie getan, dachte Guederic. Amanón war zwar immer für seine Söhne da, aber er ließ sie ihr eigenes Leben leben und mischte sich nicht in ihre Angelegenheiten ein. Manchmal machte Guederic der Gedanke traurig, dass es den Kommandanten der Grauen Legion nicht groß zu kümmern schien, wo sich sein Jüngster herumtrieb. Vielleicht fand Amanón seine Eskapaden aber auch nicht weiter schlimm und vertraute darauf, dass Guederic mit dem Alter von selbst zur Vernunft kam.
Da konnte er allerdings lange warten. Guederic liebte seine nächtlichen Streifzüge durch die Stadt und war ständig auf der Suche nach Abenteuern. Nur seiner Mutter wegen hatte er Lorelia noch nicht verlassen – er hätte sie einfach zu sehr vermisst. Wäre das Vermögen seiner Familie nicht gewesen, hätte er am liebsten das Leben eines Vagabunden geführt.
Seine Abenteuerlust hatte er wohl von Grigán und Rey geerbt, seinen beiden Großvätern. Die Weisheit seiner Großmütter Corenn und Lana schien hingegen eher auf Damián übergegangen zu sein. Für Guederics Geschmack war sein Bruder jedenfalls viel zu ernsthaft.
»Muss ich mir Sorgen machen?«, fragte Damián. »Wird der Kerl, den du verprügelt hast, auf Rache aus sein?«
»Und wenn schon. Es wird Tage dauern, bis er überhaupt wieder laufen kann.«
Damián runzelte die Stirn, und Guederic fügte besänftigend
hinzu: »Zerbrich dir nicht den Kopf. Wir haben unsere kleine Meinungsverschiedenheit beigelegt. Der Kerl macht mir keinen Ärger mehr.«
Ganz sicher war er sich dessen jedoch nicht. Er hatte erst von seinem Gegner abgelassen, als dieser um Gnade gefleht und ihn um Verzeihung gebeten hatte. So schnell würde der Kerl oder einer der Saufbrüder, die die Schlägerei beobachtet hatten, keine herablassende Bemerkung über die Familie von Kercyan mehr machen.
Vielleicht hatte er es diesmal jedoch zu weit getrieben. Zugegebenermaßen neigte er dazu, beim kleinsten Anlass auf andere loszugehen und erst aufzuhören, wenn seine Gegner stöhnend am Boden lagen. Auch zögerte er nicht, sie dort zu treffen, wo es so richtig wehtat. Im Eifer des Gefechts kam ihm das stets recht und billig vor, aber hinterher schämte er sich. Nicht dass er jemals echte Reue empfunden hätte. Schließlich hatte er noch nie jemanden zum Krüppel geschlagen oder gar getötet. Bei seinen Prügeleien verließ er sich allein auf seine Kraft, Schnelligkeit und Entschlossenheit. Eine Waffe trug er nicht. Nur selten zückte ein Gegner ein Messer und fuchtelte ihm damit vor dem Gesicht herum, aber bisher hatten solche Feiglinge ihre Unbedachtheit stets bitter bereut. Guederic brach ihnen zwei oder drei Finger, damit sie ernsthaft über ihren Fehler nachdenken konnten.
Trotzdem hatte Damián nicht ganz Unrecht: In den letzten Jahren, die er hauptsächlich damit zugebracht hatte, nachts durch die Gassen Lorelias zu streifen, hatte er sich mehr Feinde als Freunde gemacht. Obschon seine Gegner ihm nach einer Schlägerei meistens aus dem Weg gingen, war es jederzeit möglich, dass ihm jemand aus Rache einen
Dolch in den Rücken stieß. Dieser Gedanke, den er nie ganz vergaß, führte paradoxerweise dazu, dass er sich lebendig fühlte – ein Gefühl, das er brauchte wie die Luft zum Atmen.
»Alles in Ordnung«, sagte Guederic mit Nachdruck. »Um mich brauchst du dir keine Sorgen zu machen.«
Damián musterte ihn eine Weile, bevor er sich seufzend wieder an seinen Schreibtisch setzte. Er begann, Papiere und Schriftrollen hin und her zu schieben, um Guederic darauf aufmerksam zu machen, dass er zu tun hatte.
»Ich finde allein raus. Den Weg kenne ich ja«, sagte Guederic grinsend. »Und … sag Mutter nichts, ja?«
»Versprochen. Du kannst dich auf mich verlassen.«
»Ich weiß. Das finde ich ja so amüsant an dir.«
Noch lustiger fand er die fassungslose Miene seines Bruders.
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