Die Götter - Ruf der Krieger - Grimbert, P: Götter - Ruf der Krieger - Les Gardiens de Ji, Tome 1: La volonté du démon
Léti arbeiten können. Aber so sehr sie Pferde liebte, ihre Aufzucht interessierte sie einfach nicht. Auch konnte sie sich nicht vorstellen, wie ihr Großvater Yan Dorfkindern das Lesen beizubringen.
Dann war da noch der arkische Zweig der Familie: ihre Großeltern Robe und Prad und ihre Urgroßeltern Ispen und Bowbaq. Lorilis liebte sie alle heiß und innig und besuchte sie, sooft es ging, aber auf keinen Fall wollte sie für immer ins Weiße Land ziehen. Dank ihrer Mutter war ihr die arkische Lebensweise zwar vertraut, aber sie selbst war mit Leib und Seele Kaulanerin. Sie war im Matriarchat aufgewachsen, hier war ihr Zuhause, und sie hatte nicht die Absicht, ihre Heimat je zu verlassen – selbst wenn sie sich bei der Besichtigung der Mühle zu Tode langweilte.
Endlich versiegte der Redefluss des Müllers. Offenkundig war der Mann überglücklich, dass sich endlich einmal jemand für seine Arbeit interessierte. Er hatte sich lang und breit über sein Handwerk ausgelassen, und nur ein Bruchteil seiner Ausführungen hatte mit dem zu tun, worüber die Ratsfrau ihn zu sprechen gebeten hatte. Auch die hochverehrte Mutter Izaelle schien genug von seinem Geschwätz zu haben, denn kaum war der Müller verstummt, verabschiedete sie sich hastig.
Izaelle und Lorilis traten aus dem Getreidespeicher, kletterten auf den Kutschbock des Pferdewagens, mit dem sie hergekommen waren, und machten sich auf den Rückweg in das Dorf, in dem sie untergebracht waren. In der restlichen Zeit bis zum Mit-Tag würde Lorilis über ihren Büchern hocken, und nach dem Mit-Tag würden sie ein weiteres Mitglied der Dorfgemeinschaft besuchen. Bei diesem Gedanken seufzte Lorilis trotz ihrer guten Vorsätze schwer. Ihre Lehrerin runzelte die Stirn, sagte aber nichts. Sie ergriff die Zügel, schnalzte mit der Zunge und lenkte das Gespann auf den schmalen Feldweg.
Kaum zwei Dezillen später kam ihnen ein Reiter entgegen. Es handelte sich um einen der Söhne der Familie, bei der sie wohnten, einen Jungen von vielleicht zehn oder elf Jahren. Noch bevor er den Mund aufmachte, hatte Lorilis eine dunkle Vorahnung.
»Eine Brieftaube hat eine Nachricht gebracht«, sagte der Junge. »Sie ist für Euch.«
Ratsfrau Izaelle nahm das winzige Stück Papier entgegen und las die wenigen Zeilen. Wenngleich sie versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, wirkte sie plötzlich angespannt. Lorilis kam ein schrecklicher Verdacht: Jemandem aus ihrer Familie musste etwas zugestoßen sein.
Während Damián mit dem klemmenden Handschellenschloss kämpfte, biss sich Guederic auf die Lippen, um nicht laut loszuprusten. Sein großer Bruder würde ihm gehörig den Kopf waschen, falls er auch nur einen Ton von sich gab. Die Standpauke hätte ihm zwar nichts ausgemacht, aber er hatte keine Lust, die Handschellen auch nur eine Dezille länger zu tragen, nur weil Damián meinte, ihm wieder einmal »eine Lektion« erteilen zu müssen.
Endlich ertönte das befreiende Klicken. Als Damián ihm die Handschellen abnahm, stieß Guederic einen gespielten Schmerzensschrei aus, um seinen Bruder zu foppen. Damiáns mitfühlender Blick belustigte ihn. Es fehlte nicht viel, und Damián hätte sich dafür entschuldigt, dass er ihn auf freien Fuß setzte.
»Danke«, murmelte Guederic und rieb sich die Handgelenke. »Ich frage mich wirklich, warum sie mir die Dinger
jedes Mal anlegen. Sie wissen doch, dass du sie mir wieder abnimmst.«
»Wahrscheinlich, um sich vor deinen Fäusten zu schützen«, entgegnete Damián scharf. »Was hast du diesmal angestellt? Und woher stammt das Blut auf deinem Hemd?«
Guederic zuckte mit den Schultern und grinste.
»Ach, von irgendeinem Idioten. Er hat sich auf die Zunge gebissen, als ich ihm eins auf die Nase gab. Ob das Blut aus seiner Nase oder von seiner Zunge stammt, kann ich dir leider nicht sagen.«
Damián verzog das Gesicht. Offenbar fand er die Bemerkung überhaupt nicht witzig.
»Warum hast du dich überhaupt geprügelt? Ich nehme an, du hattest wie immer einen guten Grund?«
Guederic zuckte abermals mit den Schultern. Damiáns strenger Blick schüchterte ihn nicht ein, sondern amüsierte ihn eher.
»Hast du nur einen Gedanken an Mutter verschwendet? «, fuhr Damián fort. »Was soll ich ihr sagen? Dass ihr Sohn wieder mal eine Nacht im Gefängnis verbracht hat, in Gesellschaft von Säufern und Schurken?«
Zum ersten Mal verschloss sich Guederics Gesicht, und er setzte einen bockigen Ausdruck auf. »Sag ihr einfach gar nichts. Und dir
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