Die Götter - Ruf der Krieger - Grimbert, P: Götter - Ruf der Krieger - Les Gardiens de Ji, Tome 1: La volonté du démon
zum Trotz machte sie ein mürrisches Gesicht. Als Amanóns persönliche Leibwächterin musste sie dessen Geheimniskrämerei kränken.
»Wenn ich die Sache richtig verstehe, kommt entweder
bis zum Mit-Tag irgendjemand hier vorbei und überbringt uns eine frohe Botschaft, oder wir verkriechen uns auf unbestimmte Zeit in einem finsteren Loch«, fasste Guederic zusammen. »Gibt es keine andere Möglichkeit? «
Damián schüttelte bedauernd den Kopf. Er musste Guederic unbedingt bei Laune halten. Das Letzte, was er gebrauchen konnte, war ein Streit mit seinem Bruder, nur weil dieser wieder einmal beweisen wollte, dass er sich von niemandem etwas vorschreiben ließ – und schon gar nicht von ihm.
Damián schwieg eine Weile, um den anderen Zeit zu geben, sich mit der Neuigkeit anzufreunden. Aber Josion war offenbar noch nicht bereit, sich zu fügen.
»Warum müssen wir bis zum Mit-Tag warten? Warum brechen wir nicht jetzt gleich auf?«
»Weil das der Plan so vorsieht«, wiederholte Damián. »Wir sollen genau eine Nacht und einen halben Tag hierbleiben und das Haus dann verlassen.«
»Aber warum? «, beharrte Josion.
Damián zögerte. Seine Erklärung würde womöglich nur weitere Fragen nach sich ziehen, auf die er keine Antworten hatte.
»Es kann sein, dass noch andere zu uns stoßen. Bevor ihr fragt: Ich habe keine Ahnung, ob sie überhaupt kommen, wer diese Leute sind und was wir mit ihnen zu tun haben. Aber wir müssen auf jeden Fall bis zum Mit-Tag warten. Wenn wir früher aufbrechen, besteht die Gefahr, dass sie uns verpassen.«
In den Gesichtern der anderen las er Ratlosigkeit und Besorgnis, doch niemand stellte weitere Fragen.
Kurz darauf trat Josion wieder ans Fenster, um die Straße zu beobachten. Dieses Mal nahm er seinen Dolch mit.
»Beeil dich gefälligst! Hör auf, so herumzutrödeln!«
Najel hob den Blick und starrte den Rücken seiner Schwester an, die ein gutes Stück vor ihm ging. Dann beschleunigte er seine Schritte, um sie einzuholen. Schon den ganzen Tag versuchte er verzweifelt, nicht zurückzufallen, aber jedes Mal war sie ihm schon nach wenigen Dezillen wieder mehrere Schritte voraus. Dass er langsamer war, lag vor allem an ihrem Altersunterschied: Maara war eine kräftige junge Frau Anfang zwanzig, während er noch ein halbes Kind war, und zudem recht klein für sein Alter. Außerdem strotzte seine Schwester vor Energie, während er ein eher ruhiger Junge war. Abgesehen von ihrer Herkunft hatten sie wirklich nicht viel gemein, was Maara auch bei jeder Gelegenheit betonte.
»Die Sonne hat schon fast ihren Höchststand erreicht. Es ist bald Mit-Tag, und wir haben dieses verflixte Haus immer noch nicht gefunden.«
Das alles wusste Najel. Erwünschte, Maara hätte ihrem Ärger nicht mitten auf der Straße lauthals Luft gemacht. Die Benelier starrten sie ohnehin schon misstrauisch an. Zwar verstanden sie kein Wort von Maaras Geschimpfe, denn sie gebrauchte ihre Muttersprache, aber dadurch fielen die beiden nur noch mehr auf. Najel ahnte, was die Einwohner der Stadt dachten: »Barbaren!«
Natürlich waren die Geschwister im Königreich Lorelien Fremde, und auch der Rest der Oberen Königreiche war ihnen noch vor drei Dekaden unbekannt gewesen.
Trotzdem gefiel es Najel gar nicht, wie ein Vieh auf dem Markt taxiert zu werden, mit neugierigen, argwöhnischen oder sogar verächtlichen Blicken. Denn auch wenn ihm Maaras Verhalten peinlich war, für seine Herkunft schämte er sich nicht! Schließlich war er von königlichem Blut. Die Geschwister waren die Erben der B’ree-Dynastie, die seit ewigen Zeiten über das Königreich Wallatt herrschte.
Vermutlich regte sich seine Schwester deshalb so sehr auf. In Wallos wurde sie als Prinzessin verehrt und als Kriegerin gefürchtet, während man hier in Benelia mit dem Finger auf sie zeigte. Die Leute lachten über ihre Reisekluft aus Leder und Pelz, über den für benelische Verhältnisse primitiven Schmuck und über die Lowa und den Schild, die Maara trug – wenn auch nur aus der Ferne. Keiner wollte offenbar das Risiko eingehen, nähere Bekanntschaft mit der schweren Eisenwaffe zu machen, worüber Najel heilfroh war. Maara konnte recht aufbrausend sein, und wenn jemand es gewagt hätte, ihnen dummzukommen, hätte der Unglückliche sicher ein paar Zähne eingebüßt.
Doch nicht nur Najels Langsamkeit und die verächtlichen Blicke der Benelier ärgerten Maara. Der Hauptgrund für ihre Wut war die Tatsache, dass ihr Vater sie fortgeschickt hatte.
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