Die Götter - Ruf der Krieger - Grimbert, P: Götter - Ruf der Krieger - Les Gardiens de Ji, Tome 1: La volonté du démon
Nachdem die Geschwister zusammen mit Ke’b’ree von Wallos bis nach Lorelia gereist waren – mit einem großen Umweg über Arkarien –, hatte er sie zu einem sicheren Versteck geschickt, wo sie auf ihn warten sollten. Natürlich hatte Maara lautstark protestiert, aber ihr Vater ließ sich nicht erweichen, und so mussten die Geschwister schließlich ihre Bündel schnüren. Obwohl das nun schon über einen Tag her war, hatte sich die Prinzessin noch
nicht wieder beruhigt. Selbst der Auftrag, den ihr Vater ihnen mit auf den Weg gegeben hatte, hatte sie nicht gnädiger gestimmt. Maara hasste es ganz einfach, wenn Entscheidungen über ihren Kopf hinweg getroffen wurden.
Vermutlich wäre ihr Ärger irgendwann verflogen, wenn sie das Haus auf Anhieb gefunden hätten. Der Wegbeschreibung folgend, die ihr Vater ihnen gegeben hatte, waren sie zunächst von der Mündung der Gisle flussaufwärts marschiert und hatten dabei einen großen Bogen um sämtliche Siedlungen geschlagen. An einer schmalen Stelle waren sie durch den Fluss geschwommen, nur um am anderen Ufer wieder gen Süden zu laufen. Dieser Marsch hatten sie den ganzen letzten Tag gekostet. Übernachtet hatten sie unter dem sternenklaren Himmel, dicht aneinandergeschmiegt, um sich gegen die Kälte zu schützen. Im Morgengrauen hatten sie dann endlich Benelia erreicht. Nun konnten sie nicht mehr weit von ihrem Ziel entfernt sein, aber ein schier unüberwindliches Hindernis gab es noch: Weder seine Schwester noch er sprachen Lorelisch.
Außer auf Wallattisch konnten sie sich auch in verschiedenen anderen Sprachen des Ostens mehr oder minder gut verständigen, aber abgesehen davon waren sie nur mit dem Itharischen vertraut. Eigentlich wurde diese Sprache ausschließlich in den Oberen Königreichen gesprochen, aber ihr Vater hatte darauf bestanden, dass seine Kinder sie lernten. Leider war keiner der Passanten, die sie ansprachen, des Itharischen mächtig – oder es war unter ihrer Würde, Barbaren den Weg zu erklären.
Maara hatte die Demütigung nicht lange ertragen. Nach dem fünften abweisenden Kopfschütteln gab sie die Hoffnung
auf, dass die Einheimischen ihnen helfen würden, und beschloss, die richtige Adresse auf eigene Faust zu finden. So liefen sie seit einem knappen Dekant durch die Straßen und Gassen Benelias und hielten Ausschau nach dem Haus, das ihr Vater ihnen beschrieben hatte. Najel taten längst die Füße weh, aber er hätte sich lieber die Zunge abgebissen, als etwas zu sagen. Seine Schwester hätte das ohnehin nur zum Anlass genommen, ihm klarzumachen, was für ein Schwächling er in ihren Augen war. Außerdem war es nicht seine Art, sich zu beschweren.
Er hatte sein Leben lang alles hingenommen, ohne zu jammern oder zu widersprechen. Najel war ein guter Sohn, folgsamer Bruder und mustergültiger Schüler. Außer auf dem Kampfplatz, wo er nicht ganz so talentiert war, wie man es von einem wallattischen Prinzen erwarten durfte, war er der ganze Stolz seiner Lehrer und Erzieher. Sein Verhalten war stets vorbildlich. Er war gehorsam, erledigte seine Aufgaben gewissenhaft und war immer bemüht, das Beste zu geben. Er blieb im Hintergrund und machte nicht viel Aufhebens um sich, so als wollte er seinem Vater und seinen Lehrern keinen Kummer bereiten und sie auf keinen Fall enttäuschen. Kurz, als wollte er vergessen machen, dass seine Mutter bei seiner Geburt gestorben war und dass sein Vater – der König der Wallatten – seit dem Tod seiner Frau ein gebrochener Mann war.
Der Morgen zog sich endlos hin, vor allem, weil Lorilis nichts hatte, womit sie ihre Hände oder Gedanken beschäftigen konnte. Nachdem die Gefährten die Lebensmittel aus dem Vorratsschrank auf ihre Säcke verteilt und
diese ordentlich verschnürt hatten, blieb ihnen nichts, als den Mit-Tag abzuwarten. Souanne und Guederic nutzten die freie Zeit, um sich noch einmal eine Weile schlafen zu legen. Damián und Josion wiederum hielten abwechselnd am Fenster Wache und beobachteten stumm die Straße. In dem Raum herrschte Totenstille, und Lorilis wusste nicht, wohin mit sich. Sie wollte immer noch glauben, dass alles gut werden würde, dass ihre Eltern plötzlich auftauchen oder dass sie zumindest einen Boten schicken würden, auch wenn ihr klar war, dass ihre Hoffnungen vergebens waren. Schließlich holte sie ihr Schreibzeug hervor und begann, Niss und Cael einen Brief zu schreiben, in dem sie ihnen mitteilte, dass es ihr gutging. Sie hatte keine Ahnung, auf welchem Weg sie
Weitere Kostenlose Bücher