Die Götter - Ruf der Krieger - Grimbert, P: Götter - Ruf der Krieger - Les Gardiens de Ji, Tome 1: La volonté du démon
sein Leben aushauchte, schien ihn auf eine höhere Daseinsstufe zu heben.
Allerdings war das Gefühl ebenso heftig wie von kurzer Dauer. Sobald der Kampf vorbei war, verschwanden Guederics Wut und seine Mordlust auf einen Schlag. Ihm blieb nur der bittersüße Nachgeschmack dieses schändlichen Drangs, und er wurde von Scham und Reue überwältigt. Plötzlich fühlte er sich völlig verloren, weil er nicht begriff, was mit ihm geschah. Nie hätte er gedacht, dass in ihm derart abscheuliche Neigungen schlummerten. Würde Damián ihren Eltern von seinen grausamen Taten erzählen? Bei dem Gedanken daran, was sie sagen würden, wenn sie erfuhren, dass ihr Sohn ein Mörder war, brach er schluchzend zusammen.
Bislang hatte ihn keiner seiner Gefährten auf den Mord angesprochen. Nach dem Kampf hatten alle Besseres zu tun, als sich damit zu beschäftigen, dass Guederic vorübergehend den Verstand verloren hatte. So war er einfach zu den anderen hinübergetrottet und hatte seither alles getan, was sie von ihm verlangten. Eigentlich entsprach
das ganz und gar nicht seinem Charakter, aber er wollte Buße tun. Er hätte Damián sogar auf den Schultern bis nach Lorelia getragen. Seltsamerweise fühlte er sich dafür stark genug, während seine Gefährten völlig erschöpft wirkten.
Aber Guederic musste nicht beweisen, wie viel Kraft in ihm steckte. In diesem Moment kehrte Josion aus dem Schiffswrack zurück und berichtete, dass die Luft rein war. Kaum eine Dezille später gingen sie über den morschen Landungssteg an Deck.
Maara wollte den Steg einholen, da er die einzige Möglichkeit war, mühelos und schnell an Bord zu gelangen, und Guederic packte sogleich mit an. Doch anstatt ihm zu danken, warf die Wallattin ihm einen verächtlichen Blick zu. Ihr Gesichtsausdruck jagte ihm einen Schauer über den Rücken, obwohl er ihr die Feindseligkeit nicht verdenken konnte. Denn wenngleich er sich während des Kampfes nicht völlig unter Kontrolle gehabt hatte, konnte er sich an jede Einzelheit erinnern. Er hatte die Kriegerprinzessin missachtet, und sie hatte jeden Grund, ihn wie einen räudigen Hund zu behandeln.
Guederic hatte Damián nur für wenige Augenblicke allein gelassen, um den Steg einzuholen, aber plötzlich sank sein Bruder ohne Vorwarnung ohnmächtig zu Boden.
Guederic war als Erster an seiner Seite. Tränen schossen ihm in die Augen und verdrängten die Übelkeit. Wenn sein Bruder starb, würde er sich das niemals verzeihen – aber er würde Vergeltung üben und ihre Feinde so lange jagen, bis er den letzten von ihnen getötet hätte!
Beinahe wünschte er, den Tod seines Bruders rächen zu müssen, denn dann könnte er sich endlich ohne Gewissensbisse
dem Blutrausch hingeben. Gleich darauf packte ihn abermals die Reue, und er begann haltlos zu schluchzen.
Souanne bemühte sich, Ruhe und Gelassenheit auszustrahlen, vor allem der beiden Kinder wegen, aber insgeheim war ihr hundeelend zumute. Sie hatte versagt. Der Kommandant hatte ihr einen einfachen Befehl erteilt: Sie sollte seinen Sohn begleiten, nicht von seiner Seite weichen und ihn bei Gefahr beschützen, und der Einzige, der bei dem Kampf schwer verletzt worden war, war Damián! Das Selbstvertrauen, das sie seit dem Eintritt in die Graue Legion gewonnen hatte, war wie weggeblasen. Sie wünschte, sie könnte Damiáns Leid auf sich nehmen und so für ihren Fehler büßen.
Seit er ihr das Kommando übertragen hatte, fand sie die Rolle der Anführerin jedenfalls sehr viel weniger begehrenswert als vorher. Das Leben von sechs Menschen lag in ihrer Hand, und sie trug die Verantwortung für ihr Wohlergehen. Auf zu viele Fragen wusste sie keine Antwort, jede Entscheidung konnte sich als falsch erweisen, und ihre mangelnde Erfahrung lastete schwer auf ihren Schultern. Josion wäre vermutlich ein besserer Anführer gewesen, ja selbst Maara, auch wenn Souanne die Wallattin nicht besonders gut leiden konnte. Mehrmals schon war sie kurz davor gewesen, sich geschlagen zu geben. Souanne fragte sich, warum sie den anderen immer noch etwas vormachte, wo sie sich doch nur danach sehnte, wieder den Anweisungen eines anderen zu folgen. Zu mehr als einer pflichtbewussten Soldatin war sie einfach nicht gemacht.
Seit ihrer Kindheit waren Loyalität und Gewissenhaftigkeit für sie die wichtigsten Tugenden. Ihretwegen war sie in der Grauen Legion so rasch aufgestiegen, und bis zum heutigen Tag war sie auf keine großen Hindernisse gestoßen. Aber reichten diese Tugenden, um eine
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