Die Götter - Ruf der Krieger - Grimbert, P: Götter - Ruf der Krieger - Les Gardiens de Ji, Tome 1: La volonté du démon
unterirdischen Gang.«
»Und du hast niemanden davon erzählt?«, fragte Guederic verwundert. »Nicht einmal deinen Eltern?«
Josion zuckte mit den Achseln. »Der Gang war mein Geheimversteck, mein eigenes Reich. Ich habe keine Geschwister, und außer mir lebten nur meine Eltern auf der Burg. Ich habe viel allein im Wald gespielt.«
Seine Geschichte klang glaubwürdig, und Maara meinte nun auch besser zu verstehen, warum Josion so verschlossen war. Er war es einfach nicht gewohnt, seine Geheimnisse mit anderen zu teilen.
»Ein weiterer Vorteil ist, dass wir unseren Eltern auf der Burg eine Nachricht hinterlassen können«, fügte Josion hinzu. »Selbst wenn wir nicht lange dort bleiben, können wir zumindest an einem sicheren Ort einen Brief deponieren. So verhindern wir, dass er unseren Feinden in die Hände fällt.«
Niemand sagte etwas, doch diesmal schien das Schweigen Zustimmung auszudrücken. Nur Damián konnte sich eine letzte Frage nicht verkneifen: »Warum hast du uns nicht eher von deinem Plan erzählt? Zum Beispiel, als wir das Schiffswrack verlassen haben? Wir könnten längst auf dem Weg zur Burg sein.«
»Du bist schwer verletzt«, rief ihm Josion in Erinnerung. »Ich weiß, du bist sehr tapfer, aber du brauchst dringend etwas Ruhe und Schlaf. Deshalb hatte ich es nicht eilig.«
»Ist das wirklich der einzige Grund?«, fragte Damián mit Nachdruck.
Josion lächelte traurig. »Wenn ich euch gleich nach der Episode mit den Gwelomen von dem Geheimgang erzählt hätte, wärt ihr mir mit noch viel größerem Misstrauen
begegnet. Ihr hättet mir wahrscheinlich gar nicht erst zugehört. Das wollte ich nicht riskieren.«
Damit ließen sie die Sache auf sich beruhen. Ausgerechnet in diesem Moment kamen Maara doch noch Zweifel. Aber es war zu spät, um einen Rückzieher zu machen.
Obwohl sie es kaum erwarten konnten, endlich zur Burg der Familie Kercyan aufzubrechen, verging der Abend wie im Flug. Sie hatten alle Hände voll zu tun: Zunächst teilten sie die Habseligkeiten und Kleider aus dem Kellerversteck untereinander auf und verstauten sie in ihren Rucksäcken und Bündeln. Jeder bekam, was er brauchte oder tragen konnte.
Anschließend wandten sie sich den Waffen zu. Damián bestand darauf, dass jeder eine passende Waffe erhielt, damit er sich im Falle eines Angriffs verteidigen konnte. Er drückte Lorilis einen Dolch in die Hand und ignorierte ihren Protest, woraufhin das Mädchen die Waffe mit blassem Gesicht in ihr Bündel schob. Als Nächstes wollte er Najel mit einem Dolch versorgen, aber dieser versicherte ihm, dass ihm sein Stock völlig genügte. Josion konnte das bestätigen. Er erzählte, wie der Junge in dem Schuppen drei Angreifer in Bedrängnis gebracht hatte, als er Lorilis zu Hilfe gekommen war. Alle beglückwünschten Najel zu seinem Geschick, selbst Maara, obschon sie ihren kleinen Bruder ungläubig musterte. Najel starrte verlegen zu Boden.
Guederic begann leicht zu zittern, als sein Bruder auf ihn zutrat und ihm ein Rapier hinhielt. Er riss sich zusammen, grinste schief und schüttelte den Kopf.
»So etwas will ich nicht am Gürtel baumeln haben. Ich bin es nicht gewöhnt, eine Waffe zu tragen, und ich würde alle zehn Schritte darüberstolpern.«
»Unsinn«, sagte Damián. »Außerdem kannst du sie dir auf den Rücken schnallen.«
»Das ist doch wohl nicht dein Ernst«, wehrte Guederic ab und verdrehte die Augen. »Soll ich vielleicht auch noch eine Rüstung tragen?«
»Aber du brauchst eine Waffe«, beharrte Damián. »Dann nimmst du eben einen Dolch.«
»Ich sagtenein! Lass mich in Ruhe!«
Damián senkte den Arm und warf ihm einen zornigen Blick zu. Auch Guederic kochte vor Wut. Musste sein Bruder ihn vor versammelter Gesellschaft demütigen?
Die anderen hoben verwundert den Blick von ihren Bündeln. Guederic fühlte sich wie im Fieber. Er begann wieder zu zittern, und ihm brach der kalte Schweiß aus. Damián musterte seinen Bruder besorgt, dann legte er das Rapier auf eine Pritsche und nahm ihn bei den Schultern.
»Was ist los mit dir, Guedy?«, flüsterte er. »Wenn du Angst hast, kannst du es mir ruhig sagen. Du musst dich nicht schämen …«
Die Freundlichkeit und Naivität seines älteren Bruders entlockten Guederic ein nervöses Lachen. Nachdem sich die Brüder einen Moment lang verlegen angesehen hatten, fand er die Sprache wieder. »Darum geht es nicht. Ich bin einfach nicht mehr ich selbst. Verstehst du nicht? Ich habe vier Männer getötet!«
»Es war
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