Die Götter - Ruf der Krieger - Grimbert, P: Götter - Ruf der Krieger - Les Gardiens de Ji, Tome 1: La volonté du démon
hinzu:
»Ich habe nicht viel von euch anderen mitbekommen. Damián sagt, du hättest vier Männer getötet. Stimmt das?«
Josion nickte schweigend. In der Dunkelheit konnte Guederic die Bewegung nur erahnen.
»Macht dir das nichts aus?«
»Es gefällt mir nicht, aber nicht ich habe den Kampf gesucht. Ein paar der Männer haben beschlossen zu flüchten,
und sie leben noch. Die anderen haben einen anderen Weg gewählt. Es war ihre Entscheidung.«
Guederic nickte traurig und fragte: »Und wer hat dich kämpfen gelehrt? Großvater Reyan?«
»Nein, meine Mutter. Ich spreche nicht gern davon.«
Guederic biss sich auf die Lippen. Was war er nur für ein Idiot. Wer hätte Josion auch besser im Kampf unterweisen können als Zejabel, von deren dunkler Vergangenheit selbst die jüngsten Familienmitglieder wussten? Zejabel hatte einst im Dienste der Rachegöttin Zuïa gestanden und in ihrem Namen Morde begangen. Guederic wusste, dass Josion und seine Mutter zerstritten waren, wollte aber nicht ausgerechnet jetzt nach dem Grund dafür fragen.
»Und was ist mit dir?«, fragte Josion unvermittelt. »Wer hat dir Unterricht im Kämpfen erteilt? Grigán?«
»Hin und wieder«, stammelte Guederic. »Aber Damián war ein sehr viel eifrigerer Schüler als ich. Ich habe schon immer lieber meine Fäuste gebraucht. Es kommt mir natürlicher vor. Und gerechter. Verstehst du? Ich weißt nicht, was in dem Lagerschuppen in mich gefahren ist. Ich hatte einfach großes Glück.«
»In einem Zweikampf spielt Glück keine Rolle. Wenn eine Klinge knapp an deiner Schulter vorbeisaust, statt dir in den Arm zu fahren, dann nur, weil du ihr ausgewichen bist, wenn auch unwillkürlich. In solchen Momenten denkst du nicht mehr nach. Dein Körper reagiert wie von selbst – oder als würde er von etwas anderem gelenkt. Zum Beispiel von einer Stimme in deinem Kopf.«
Guederic nickte. Warum fixierte ihn Josion plötzlich so eindringlich?
»Hast du so etwas schon einmal erlebt? Eine Stimme in deinem Kopf, die dir Befehle erteilt?«
Das Gespräch nahm eine seltsame Wendung, und Guederic fühlte sich unwohl. Worauf wollte Josion hinaus? Was ahnte er?
»Nein, ich … So etwas ist mir noch nie passiert. Manchmal verliere ich die Beherrschung und schlage zu fest zu, aber merkwürdige Stimmen höre ich nicht. Ich bin nicht wahnsinnig. Hörst du etwa Stimmen?«
Josion musterte ihn eine ganze Weile schweigend. Guederic hatte den Eindruck, einer Prüfung unterzogen zu werden. Dann sprach Josion weiter: »Nein, nie. Aber Lorilis’ Vater hat so etwas erlebt, als er … als unsere Eltern gegen Königin Agénor kämpften. Er spürte die Anwesenheit eines fremden Wesens in sich und entwickelte unter dessen Einfluss unglaubliche Kräfte. Immer, wenn er die Stimme in seinem Kopf hörte, kämpfte er wie ein Besessener. Zum Glück verstummte sie nach einer Weile.«
Wieder sah Josion Guederic aufmerksam an, als erwarte er etwas Bestimmtes von ihm. Guederic wusste nicht, was er sagen sollte. Die wilde Freude, die ihn durchströmte, wenn er seine Feinde tötete, war etwas ganz anderes, als eine Stimme im Kopf zu hören. Er selbst war das Problem, niemand sonst.
»Ich lege mich wieder schlafen«, murmelte er. »Wir haben morgen einen langen Weg vor uns.«
Sie wünschten einander höflich Gute Nacht. Nachdem Guederic für kurze Zeit fast so etwas wie Zuneigung für seinen Cousin empfunden hatte, fand er ihn jetzt wieder seltsam und verschlossen. Josion war eben ein Eigenbrötler
und Geheimniskrämer. Kurz gesagt, kein besonders angenehmer Zeitgenosse.
Der Gedanke, dass sie ausgerechnet Josion blind vertrauen sollten, brachte Guederic die halbe Nacht um den Schlaf.
Souanne erwachte vor Sonnenaufgang und blieb nur aus Rücksicht auf ihre Zimmergenossen noch etwas liegen. Im Morgengrauen hielt sie es jedoch nicht mehr aus, stieg von ihrer Pritsche und schlich auf Zehenspitzen aus der Zelle.
Im Tempel war kein Geräusch zu hören, und auch die restliche Stadt schien noch zu schlafen. Eine frische Meeresbrise wehte über die Dächer hinweg, ein Vorbote der regnerischen Jahreszeit. Nur gelegentlich hallten Schritte durch die Straßen, vermutlich von Pilgern oder von Händlern, die ihre Waren auslieferten. Im Grunde unterschied sich die Stadt nicht allzu sehr von Lorelia. Doch schon bald würde Souanne in die Fremde aufbrechen, und bei diesem Gedanken zog sich ihr der Magen zusammen.
In Ermangelung einer besseren Idee schlug sie den Weg zu den Ställen ein. Sie
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