Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Göttin der kleinen Siege

Die Göttin der kleinen Siege

Titel: Die Göttin der kleinen Siege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yannick Grannec
Vom Netzwerk:
Mittel. Aber ich schleppte Kurt zu einer Besichtigung, und als der Verkäufer uns endlich wieder gehen ließ, führte ich meinem Mann alle Vorteile des Kaufs vor Augen: Das Einfamilienhaus hatte eine neue Klimaanlage, zahlreiche Fenster, einen Garten, wo er sich von seiner nervlichen Anspannung erholen könnte, und ein zusätzliches Zimmer für ein Büro. Überdies war das Viertel sehr ruhig, es war hochgelegen, und im Sommer wäre es hier kühler als in der Stadt. Schweigend dachte Kurt auf dem ganzen Rückweg darüber nach. Er sagte: „Das Wohnzimmer ist sehr groß, dort könnte man ein Fest mit fünfzig Personen feiern.“
    Vernünftig ließ ich den Teig aufgehen. Als dann aber nichts von Kurt kam und ich fürchtete, dass uns das Haus durch die Lappen gehen könnte, beschloss ich, ihn nach allen Regeln der Kunst zu bedrängen. Ihn bei der Arbeit zu stören war die einzige Möglichkeit, ihn zu einer Reaktion zu zwingen. Sein Freund Oskar zog von der anderen Richtung am Seil: Als Snob fand er das Haus viel zu teuer, zu weit vom Institut entfernt und in keiner guten Gegend gelegen. Er war meinen Ideen gegenüber grundsätzlich misstrauisch. Heimlich telefonierte ich mit Kitty Oppenheimer, damit das innere Gleichgewicht meines zerbrechlichen Genies durch die Zustimmung von höherer Seite gewahrt bliebe. Kitty sprach darüber mit ihrem Mann, der Institutsdirektor war – das IAS würde für den Kredit mit bürgen. Gefangen zwischen zwei Fronten, entschied Kurt sich für den häuslichen Frieden. Trotz seiner Angst vor einer so hohen Verschuldung gab er nach. Aber was machte ihm eigentlich keine Angst? Ich hatte die Chance, mich für unser Heim zu verkämpfen, und ich gewann.
    Hatte ich ihn an der Arbeit gehindert, wie Morgenstern mir vorwarf? Natürlich! Kurt versäumte auch nicht, es seiner Mutter zu berichten – sie hat bestimmt ihren Strudel ausgekotzt! Dieses Haus war in gewisser Weise mein Krankenschwesterngehalt – ausbezahlt nach zwanzig Jahren Rückstand.
     
    Ich wischte mir die Hände ab und zog die Schürze aus, bevor ich die Tür öffnete.
    „Willkommen auf Schloss Gödel!“
    In der Tür stand meine Freundin Lili mit zwei Flaschen Champagner in der Hand, neben ihr kämpfte Albert Einstein mit einem riesigen Paket.
    „Meine liebe Adele, hier mein bescheidener Beitrag zu diesem denkwürdigen Tag. Nun werden Sie endlich aufhören, ständig umzuziehen.“
    „Wir haben eine geschlagene Stunde beim Antiquitätenhändler verbracht, er konnte es gar nicht fassen, Albert zum Kunden zu haben!“
    „Wo ist Gödel?“
    „Er kommt gleich, Herr Einstein. Er arbeitet.“
    „Wie geht es ihm denn? Wir haben uns in letzter Zeit nicht oft gesehen. Ich bin so viel auf Reisen.“
    Hinter mir tauchte mein Mann auf – eine tadellose Erscheinung. Er trug einen makellosen Zweireiher, die Krawatte war millimetergenau geknotet.
    „Mir geht es sehr gut. Die Zahl 49 ist uns zuträglich. Sehen Sie meine Frau an, sie ist hinreißend!“
    „Meinst du dieses Kleid? Ein altes Ding. Nun müssen wir den Gürtel noch enger schnallen.“
    Es war eine weitere kleine Notlüge. Ich hatte mir dieses blau gemusterte weiße Kleid geschenkt, um meinen Sieg zu feiern. 1949 war ich 49 Jahre alt – da durfte ich mir doch einen Fummel für 4,99 Dollar kaufen! Hätte ich nicht Kurts kühle Vorwürfe gefürchtet, hätte ich es ihm gesagt – die Zahlensymbolik hätte ihm gefallen. Aber er hätte ein neues Kleid ja sowieso nicht von einem Scheuertuch unterscheiden können.
    Ich lud unsere Freunde ein, es sich bequem zu machen, dann öffnete ich das Paket. Es enthielt eine wundervolle Vase im chinesischen Stil.
    „Von nun an können Sie sich der Verschönerung Ihres Heims widmen, Adele – das ist der Lieblingssport etablierter Damen.“
    Albert ging mit Kurt in den Garten und überließ Lili und mich unseren Frauengesprächen. Ich war ein wenig enttäuscht, dass ich ihm nicht unser neues Heim zeigen durfte. Stattdessen nahm ich meine Freundin am Arm und machte mit ihr eine Hausführung, bevor die anderen Gäste kämen – die Morgensterns und die Oppenheimers. Mehr Leute hatte Kurt nicht einladen wollen.
    „Ach, ich vergaß – Erich lässt sich entschuldigen. Seiner Mutter geht es nicht so gut, er wollte lieber bei ihr bleiben.“
    „Du hast Glück, eine Schwiegermutter wie Antoinette zu haben. Meine ist ein wahrer Drachen!“
    „Ich musste zweimal heiraten, bis ich die richtige gefunden hatte!“
    Sie wechselte schnell das Thema, damit ich

Weitere Kostenlose Bücher