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Die Göttin im Stein

Titel: Die Göttin im Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Beyerlein
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sofort.
    »Moria«, begann er, »du weißt, ich war zum Frühjahrsfest und den darauf folgenden Beratungen am Königshof. Ich habe großen Erfolg im Königsrat errungen. Ich habe bei der Beratung den Weg in die Zukunft gewiesen. Der König hat mich sehr geehrt und wünscht sich meiner besonderen Treue und Nähe für immer zu versichern.« Er machte eine Pause.
    »O Lykos, mein Herr, mein Geliebter«, flüsterte sie, führte seine Hände an ihre Lippen und bedeckte sie mit zärtlichen kleinen Küssen. »Daß ich deine Frau sein darf! Ich bewundere dich so sehr!«
    Es wurde immer schwerer.
    Er machte sich von ihr frei. »Ich verlange keine Bewunderung von dir«, sagte er schroff. »Ich verlange nur, daß du dich in alles schickst, was ich verfüge, auch, wenn es dir nicht gefällt! Sonst werde ich es dir beibringen, verlaß dich drauf!«
    Ein Zittern lief über ihren Körper. Ihre Augen weiteten sich wie bei einem erschreckten Kind. »Aber ja«, beteuerte sie und schmiegte sich wieder dichter an ihn.
    Er schob sie zurück und stand auf, ordnete seine Kleider. Auch Moria richtete sich auf. Sie kauerte jetzt auf dem Lager und forschte in seinem Gesicht.
    Lykos blieb vor ihr stehen, sah auf sie herab. »Ich nehme dich beim Wort! Also höre: Der König wünscht mich als seinen Schwiegersohn. Es geht nicht gegen dich, Moria. Du bist eine gute Frau, und du wirst meine hochgeehrte rechtmäßige Gemahlin bleiben. Aber ich werde eine zweite rechtmäßige Gemahlin nehmen. Briseia, die Tochter des Königs.«
    Sie gab keinen Laut von sich. Ihm schien, sie hörte sogar auf zu atmen. Starrte ihn stumm an.
    Jetzt würde es geschehen. Gleich würde sie weinen, schluchzen, betteln, ihn anflehen, ihn fragen, ob sie ihm Grund gegeben habe, ihr das anzutun – kurz, sie würde weibische Gefühlsausbrüche über ihn ergießen.
    Alles in ihm verhärtete sich in Abwehr.
    So nicht!
    »Damit du mich recht verstehst«, fuhr er fort und zog mit seiner herrisch kalten Stimme einen Graben zwischen sich und sie, »du wirst Briseia liebevoll und schwesterlich empfangen! Du wirst Briseia gleichberechtigt neben dir bestehen lassen! Du wirst mit ihr die Aufgaben und die Ehren der Hausherrin teilen!
    Wage nicht, sie wie eine Nebenfrau oder eine Magd zu behandeln und ihr Befehle zu geben! Wage nicht, sie zu benachteiligen! Wage nicht, auch nur einmal unfreundlich zu ihr zu sein!
    Wenn du sie Ablehnung spüren läßt oder gar Krieg mit ihr anfängst, so wirst du es mit mir zu tun bekommen! Ist das klar?
    Moria, noch immer mit diesem verstörten Ausdruck im Gesicht, wich vor ihm zurück, drückte sich an die Wand, gab keinen Laut von sich.
    »Ist das klar?« wiederholte er noch schärfer.
    Sie nickte. »Ja. Das ist klar. Sehr klar«, flüsterte sie fast tonlos. Dann schob sie sich an der Wand entlang vom Lager herunter, an der Wand entlang zur Tür, das bleiche Gesicht noch immer ihm zugewandt, drehte sich um und stürzte hinaus.
    »Trink, Schwager, trink!« Hairox schenkte den Becher mit Bier randvoll, trank Lykos zu. »Du brauchst dir keinen Zwang anzutun, ich habe die Weiber ins Haus geschickt, wir sind ganz allein!«
    Lykos rückte näher ans Feuer. Weitab vom Hof hatte Hairox es entzündet, nur für sie zwei. Die Nacht war kalt, der Wind fegte über die Wiese und ließ die Flammen lodern und die Funken sprühen.
    »Fast wie früher, unter Wölfen«, sagte Lykos.
    »Fast wie früher«, bestätigte Hairox. »Lang liegt es bei mir zurück. Aber das Leben im Wald – das vergißt man nie.«
    »Die heiligen Wolfsriten, die Jagd, der Kampf – und wenn einem danach war, ein hübsches Bauernmädchen –, das war das ganze Leben. So einfach, stark und wild.«
    »Keine langwierigen Beratungen und keine politischen Reden – sondern die Streitaxt sprechen lassen, den Pfeil und den Speer! Nicht sich um die Herden kümmern, sondern im Nachbarland Viehherden rauben!«
    Lykos nickte. »Und nicht sich täglich Rechenschaft ablegen, ob man alles getan hat, die Herrschaft zu festigen und seine Bauern und seine Hausgemeinschaft in der rechten Ehrfurcht zu halten – und doch zugleich Sorge für ihr Wohl zu tragen. Sondern einfach dreinschlagen, wo's not tut!«
    Hairox grinste. »Was für Töne von dem vorausblickenden Berater des Königs, von seinem angehenden Schwiegersohn! Man könnte meinen, es reut dich, daß deine Hausgemeinschaft demnächst um eine zweite Gemahlin bereichert wird! Fürchtest du den Unfrieden, den das bringen wird, den Widerstand deiner

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