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Die Göttin im Stein

Titel: Die Göttin im Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Beyerlein
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Brustwarze frei. Schwer und schlaff hing er in ihrem Arm.
    Sie wartete noch ein wenig, dann legte sie ihn vorsichtig ins schattige Gras, schloß ihren Kittel und griff nach dem mitgebrachten Korb mit den Erbsenschoten.
    Ihre Finger pellten die Samen aus den Hülsen. Ihre Augen glitten über das sanft wogende Kornfeld, verloren sich im Labyrinth der Halme.
    Die Mücken summten. Das Korn knisterte.
    Es war so heiß. Die Luft gesättigt von der Sonne.
    Schläfrig ließ sie ihren Kopf gegen den Baumstamm sinken.
    Dämmriges Licht drang gedämpft durch das grüne Laubdach. Sie ging durch den Tunnel aus dichten Zweigen. Wände aus undurchdringlichem Grün gaben nur einen schmalen Gang frei. Sie folgte ihm. Er öffnete sich zu einem kleinen Platz. Rechts, links, vor ihr: Überall bogen neue Gänge ab, aus dichtem Grün gewoben wie der erste. Sie zögerte. Sie wußte, sie mußte den Weg finden.
    Sie bog nach rechts. Der Weg führte um eine Kurve, mündete in eine neue Kreuzung.
    Das Laubdach über ihr, die Laubwände neben ihr, Wege, Gabelungen, Biegungen, Plätze.
    Sie verlor jeden Sinn für die Richtung, für die Zeit. Weiter, immer weiter.
    Rechts, links, geradeaus.
    Im Kreis.
    War sie nicht hier schon gewesen?
    Eins wie das andere.
    Sie kehrte um, zweifelte, irrte hin und her.
    Kein Ausweg.
    Sie lief.
    Sie hörte ein Lachen. Überall war es. Neben ihr, hinter ihr, über ihr.
    Sie suchte die Quelle des Lachens und fand sie nicht.
    Da: ein warmes Schnauben.
    Sie drehte sich um.
    Da sah sie ihn. Den Stiergestaltigen.
    Weiß lockte sich das Stirnhaar zwischen den gewaltigen Hörnern. Aus seinen Augen sprühte unbändige Kraft.
    »Naki, bist du eingeschlafen?«
    Naki schreckte auf. Lele stand vor ihr, lachte, ließ sich neben ihr nieder.
    »Ich wollte dir Nachschub bringen«, sagte Lele und stellte einen Korb Erbsenschoten ab. Mit einem Blick auf Nakis noch halb gefüllten Korb fügte sie hinzu. »Aber das war wohl nicht nötig.«
    »Tut mir leid. Ich bin heute ziemlich langsam!«
    Lele zuckte die Schultern. »Das macht die Hitze.« Doch ihr Blick war besorgt.
    Lele ließ sich neben Naki nieder, forschte in ihrem Gesicht. »Wie geht es dir, Naki? Ist alles in Ordnung?«
    Naki lachte. »Aber ja doch, ja!«
    Lele sah erleichtert aus. »Einen guten Platz hast du dir hier ausgesucht«, meinte sie dann. »Schattig und schön. Und der Weg so weit zu überblicken.«
    Naki streifte Lele mit einem kurzen Seitenblick. Was steckte hinter dieser Bemerkung? Wußte sie etwa ...
    Doch Lele hatte sich vorgebeugt und schaute dem Baby in das schlafende Gesicht.
    Arme Lele. Es mußte schwer für sie sein, den kleinen Wirrkon aufwachsen zu sehen.
    Naki berührte Lele am Arm. »Die Göttin schenkt dir auch wieder ein Kind«, sagte sie leise. »Wenn du endlich einen Mann nimmst.«
    Lele richtete sich steil auf. »Ich will keinen Mann!«
    »Aber dieser Zitu, er ist dir doch schon lang versprochen, und er ist sehr freundlich, finde ich, und so lieb zu dir.«
    »Jetzt auch noch du!« erwiderte Lele heftig. »Müßt ihr mir denn alle damit in den Ohren liegen!«
    »Entschuldige«, murmelte Naki. »Tut mir leid. Ich wollte dich nicht –«
    »Schon gut!« Lele griff in den Korb mit den Erbsenschoten. Ungeduldig brach sie die Schoten auf und pulte die Erbsen heraus. »Irrkru müßte heute zurückkommen. Ich bin gespannt, ob sich sein Weg gelohnt hat. Ob er Neues über den Bernsteinbären erfahren hat!«
    »Ich dachte, er wollte ein Feuersteinbeil einhandeln!« Lele seufzte. »Das auch.«
    Sie arbeiteten. Naki blickte hin und wieder wie zufällig über das Weizenfeld zum Weg hinüber. Leise begann sie ein Erntelied zu singen. Vergebens wartete sie darauf, daß Lele mit ihrer tieferen Stimme einfiel.
    »Es heißt, dieser Bernsteinbär fürchtet die Wolfskrieger nicht«, sagte Lele in Nakis Lied hinein. »Es heißt, er führt sie an der Nase herum. Und er bekommt immer mehr Zulauf. Von Männern, die nichts zu verlieren haben.«
    Naki stimmte ein neues Erntelied an.
    »Wenn unsere Hände nicht gebunden wären«, fuhr Lele fort. »Wenn wir einen wie den hätten, hier bei uns! Wenn einer uns Mut machte! Das könnte die Wende sein. Unsere Rettung.«
    Naki unterbrach ihr Lied. »Unsere Rettung ist die Göttin!«
    »Natürlich! Wie konnte ich das vergessen!« erwiderte Lele bitter, stand auf, nahm den Korb mit den ausgepulten Erbsen und ging zum Hof.
    Naki sang das Labyrinthlied. Und dachte wieder an ihren Traum. Was wäre geschehen, wenn sie nicht aufgewacht

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