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Die Göttin im Stein

Titel: Die Göttin im Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Beyerlein
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Kurz sah Haibe auf den dunkelblau angelaufenen, dicken und seltsam verkrümmten Fuß, wandte schnell wieder die Augen ab.
    »Geschehen? Das ist wohl nicht das rechte Wort. Eraiox hat meinen Knöchel mit seiner Streitaxt zertrümmert!«
    Haibe schrie auf.
    »Leise, Haibe, sei leise! Aber sag schnell, warst du bei den Heiligen Steinen?«
    »Nein. Seit letztem Sommer nicht mehr.«
    Songo seufzte erleichtert. besteht doch Hoffnung, daß sie es geschafft hat!«
    »Wovon redest du?«
    »Von Eire. Du mußt wissen, Eire war mit mir an diesem Hof gefangen, und im Frühling haben wir versucht zu fliehen, Eire und ich.
    Den ganzen Winter über haben wir von der Flucht geträumt und sie geplant, aber wir wußten nicht, wohin, kein Ort mehr auf der Welt, nur weg von hier. Doch mir war es im Winter zu gefährlich, denn Eire war schwanger.
    Wir haben bis zum Frühling gewartet, und es ist uns gelungen, uns eines Nachts davonzustehlen, den ganzen Tag sind wir gelaufen, und ich dachte schon, wir wären entkommen, aber da haben wir die Hunde gehört, wir sind in einem Bach gewatet, um sie abzulenken, aber Eire konnte sich kaum mehr aufrecht halten, und ich hatte Angst um das Ungeborene, und da – wir haben uns getrennt, um die Hunde zu verwirren. Bleib im Bach, habe ich ihr gesagt, und wenn wir uns verlieren, so treffen wir uns in der alten Heimat wieder, bei den Heiligen Steinen, ich bin durch den Wald, aber ich habe gehört, wie die Hunde dem Bach immer näher gekommen sind, und da –«
    Haibe wartete. Und plötzlich sah sie es vor sich: Songo zwischen den Bäumen, die Hunde schon nahe der Stelle, an der Eire sich versteckte – nicht die Tochter, sie dürfen die Tochter nicht finden –, und Songo bricht durch die Bäume, hält sich nicht mehr versteckt, sondern rennt, macht absichtlich Lärm, lenkt alle Aufmerksamkeit auf sich, weg von Eire, die Hunde hinter ihr her ...
    »Du hast die Hunde auf deine Spur gelockt«, sagte Haibe leise.
    Songo nickte. »Ein Leben gegen zwei.«
    Sie schwiegen.
    »Und dann –«, begann Haibe neu.
    »Sie haben mich hierher zurückgebracht. Und Eraiox hat vor aller Augen meinen Fuß zertrümmert.
    Damit ich nicht mehr fliehen kann. Vor allem aber, um einmal mehr seine ausgesuchte Grausamkeit unter Beweis zu stellen. Er liebt es, wenn alle ihn fürchten.« Sie verstummte. Doch dann fügte sie ganz fest hinzu: »Aber Eire hat er nicht gefunden!«
    Haibe weinte. »Sie hat es bestimmt geschafft, Songo! Und ich verspreche dir, ich werde zu den Heiligen Steinen wandern und Eire suchen, und dann werde ich sie und das Kind in
    die neue Heimat führen, wie alle anderen von uns, die ich finde.«
    »Die neue Heimat?« Songo hob den Kopf. Durch das Blattwerk hindurch trafen sich ihre Blicke.
    »Wir gründen neue Dörfer, weit im Norden, jenseits des Meeres. Zirrkan und die alte Priesterin haben uns hingeführt«, erzählte Haibe.
    Songo lächelte. »Das ist gut. Und Ritgo – wie froh bin ich, zu hören, daß er lebt! Kommt er mit euch?«
    »Nein. Ritgo will kämpfen. Er sammelt Männer, die mit ihm gegen die Wolfskrieger ziehen.«
    »Ritgo?! Das tut er wirklich?! Daß er sich so geändert hat! Ich sehe, er hat begriffen, und das ist gut. Was gäbe ich darum, neben ihm, mit ihm in den Kampf ziehen zu können! Sag es ihm, und sag ihm, daß ich es ihm danke! Daß meine Gebete ihn begleiten werden und er meinen Segen dafür hat! Noch mit meinem letzten Atemzug werde ich ihn segnen für diesen Kampf. Aber sag ihm auch, daß er sich vorsehen soll, diese Männer hier sind furchtbare Krieger, wenn er ihnen gegenübersteht nur einen Augenblick zaudert, so ist er verloren«
    »Bitte, Songo, ich werd' es ihm sagen, es wird ihm sehr helfen, wissen, daß du gutheißt, was er tut, aber eine Frage: Weißt du, wo unsere anderen Mädchen und Frauen sind? Weißt du etwas von Naki?«
    Songo schüttelte den Kopf. »Nein. Eire und ich, wir wurden als erste von den anderen getrennt. Da war Naki mit Gwinne, Mulai und Uori zusammen. Es tut mir leid, ich kann dir nicht weiterhelfen. Ach, Haibe –«
    Von fern her tönte Hundegebell. Songo fuhr herum, spähte zum Horizont. Sie stand auf und nahm ihre Krücken. »Eraiox kehrt zurück. Ich muß weiterarbeiten. Ich danke dir, daß ich diesen Tag erleben durfte. Jetzt stirbt es sich leichter.
    Flieh, schnell, flieh! Komm nicht mehr hierher! Eraiox ist gefährlich – für dich und für mich!«
    »Leb wohl, Songo. Die Eulengöttin möge dich unter ihre Flügel nehmen!«
    Haibe kletterte und

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