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Die Göttin im Stein

Titel: Die Göttin im Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Beyerlein
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Besuchs verschwiegen

    Sie hatte sich erboten, das Walken der Wolltuche zu übernehmen, eine harte, kraftzehrende Arbeit, die sich jede Frau gern abnehmen ließ. Den Platz dafür hatte sie im Hof so gewählt, daß sie durch das offene Gatter hinaus- und zum Königshof hinübersehen konnte. Abgeschirmt lag er hinter einem Graben und einer beinahe baumhohen Palisade, und ein Mann mit Streitaxt und Lanze bewachte das einzige Tor.
    Sie sah jeden, der hineinging, jeden, der herauskam.
    Naki war nicht darunter. Auch keine der anderen.
    Unermüdlich schlug Haibe mit dem schweren Holzhammer auf den Tuchpacken, besprengte ihn mit heißem Wasser, schlug weiter. Ihre Augen aber hingen an dem Tor des Königshofes.
    Die Bäuerin half ihr den Packen nassen Tuchs zu wenden.
    Ein junger Mann kam aus dem Königshof, lief auf den Weiler zu, kam herein, »Mutter«, rief er schon von weitem, »stell dir vor . . .«, er stockte, nickte Haibe zu, grüßte sie höflich, doch schon sprach er zur Bäuerin gewandt weiter: »Ich muß dir was erzählen!« und zog diese am Arm auf die Bank neben dem Gatter.
    Sie selbst legte den Holzhammer beiseite, nahm das dicke Rundholz, kniete auf dem Tuch nieder, benäßte es und rollte es aus.
    Das Schlagen hatte Lärm gemacht, das Rollen nicht.
    »Der König hat mich bemerkt«, stieß der junge Mann hervor, »stell dir vor, er ist mir wohlgesonnen! Immer habe ich gedacht, er sieht mich gar nicht, aber so ist es nicht, er sieht alles, er hat mich geprüft, ohne daß ich es wußte! Und nun – er hat gesagt, ich sei nicht nur stark, ich sei auch klug, es sei schade darum, wenn ein Mann wie ich bei Feld- und Hofarbeit versaure, ich sei zu Höherem berufen, und . . .«
    »Bei Feld- und Hofarbeit versauern? Zu Höherem berufen?« unterbrach die Bäuerin. »Was soll das heißen! Schmähst du unsere Arbeit?«
    »Ach Mutter, so ist das nicht gemeint! Begreifst du nicht, er bietet mir Möglichkeiten, von denen ich nie zu träumen gewagt hätte, vielleicht nimmt er mich sogar in sein . . .«
    Das weitere Gespräch ging im Rattern und Poltern eines Ochsenkarrens unter, der am Hof vorbeifuhr. Endlich hörte sie wieder die Stimme des jungen Mannes: »... ganz im Königshof leben. Ich werde eines von den im Webhaus gefangenen Mädchen zur Frau nehmen und eine eigene Familie gründen.«
    »Du hast eine eigene Familie, und das sind wir!«
    »Mutter, du weißt, was ich meine! Du hängst am Alten und verstehst die Zeichen der Zeit nicht! Ich werde ein Hausvater sein, ein Herr in meiner Familie wie der König in seiner!«
    »Da täusch dich nicht! So ein Mädchen aus dem Westen kuscht nicht vor dir!«
    Er lachte. »Das bring' ich ihr schon bei!« Er stand auf und ging ins Haus.
    Klebriger Gestank stieg aus der nassen Schafwolle auf.
Haibe verbarg das Gesicht in den Händen.
    Ich habe einen Fehler gemacht, Naki, einen furchtbaren Fehler. Ich konnte nicht länger warten. Ich konnte es nicht tatenlos ertragen, daß da einer war, der die Antwort wissen mußte.
    Ich bin diesem jungen Mann ins Haus gefolgt und habe ihn nach dir und den anderen gefragt. Und dann ...
    Wenn die Bäuerin mich nicht gewarnt hätte ...
    Die Hunde des Königs ...
    Fernes Gebell.
    Haibe sprang auf. Das Bellen –
    Sie kämpfte sich aus dem Gebüsch, rannte. Sie rutschte im feuchten Laub aus, stolperte über Äste und Wurzeln, hastete weiter. Nur schemenhaft ahnte sie im kaum gelichteten Dunkel die Bäume, bahnte sich einen Weg zwischen den Zweigen, bemerkte nicht, wie sie sich verletzte.
    Die Hunde des Königs. Sie waren noch immer hinter ihr her.
    Vor Tagen war sie ihnen entkommen, war vor ihnen durch endlose Wälder nach Westen geflohen, um sich bei Ritgo in Sicherheit zu bringen – und nun waren sie ihr doch wieder auf den Fersen!
    Sie keuchte eine Sanddüne hinauf, stürzte sich auf der anderen Seite hinunter, glitt in einen Sumpf. Mühsam raffte sie sich auf, ihre Füße sanken in glitschigen Schlamm, Sumpfgewächs schlang sich um ihre Beine, bis zu den Hüften stak sie im modrigen Wasser.
    An einem umgestürzten Baum fand sie Halt, watete vorwärts, jeder Schritt ein zähes Ringen mit den dunklen Mächten, die sie umfingen.
    Ein Platschen hinter ihr, Wasser spritzte auf, das war kein Hund, das war ein Mann – Der König hat einen Wolfskrieger hinter mir hergeschickt! –, der schwimmende Baumstamm trieb ruckartig zur Seite, sie strauchelte, schwankte, fiel.
    Sie tauchte unter Wasser, etwas Glitschiges, Widerwärtiges
    berührte ihr Gesicht,

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