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Die Göttin im Stein

Titel: Die Göttin im Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Beyerlein
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zählt.
    Mühsam rang sie sich ab: »Ritgo, ich bitte dich und deine Gefährten: Überfallt den Königshof. Dringt in ihn ein, mit List oder mit Gewalt oder mit beidem. Es gibt keine andere Möglichkeit. Holt sie heraus, unsere Frauen und Mädchen. Und – und –«
    Seine Augen unnachgiebig.
    »Und wenn es sein muß«, sprach sie weiter– Große Göttin, wohin ist es mit mir gekommen, es ist nicht mehr die Zeit der heiligen Schlange, es ist die Zeit des reißenden Ebers, warum
    läßt du das zu –, »und wenn es sein muß, dann kämpft, kämpft um das Leben unserer Frauen und Mädchen, kämpft um euer eigenes Leben.«
    Noch immer gab er sie nicht frei. Noch immer zwang er sie mit seinem Blick, alles zu sagen.
    Da sprach sie es aus: »Und tötet die, die ihr töten müßt!«
    Sie weinte.
    Ritgo legte die Arme um sie, zog sie an seine Brust. »Siehst du, nun bist du da, wo ich schon vor einem Jahr war. Arme Schwester. Auch du trägst das Zeichen. Und nie mehr wirst du es loswerden!«
    »Du wirst es tun, du und die anderen?« flüsterte sie.
    »Ja.
Wir werden es tun. Zumindest werden wir es versuchen.
    Leicht wird es nicht werden. Besser gesagt: Du hast uns die schwerste Aufgabe gestellt, die ich mir vorstellen kann. Ich hoffe, wir finden einen Weg!«
    »Laß mich mit euch kommen! Laß mich helfen! Ich kenne dort Frauen, die uns vielleicht raten, uns zu einer List verhelfen –«
    »Wie ich die finde, erkläre mir. Du bleibst hier! Ich nehme dich nicht mit. Unter gar keinen Umständen!
    Nein, kein Wort dagegen, Haibe! Einst habe ich dich angefleht, daß du mit mir kämpfst– jetzt will ich es nicht mehr. Du hast mich um Hilfe gebeten, und die sollst du haben. Aber zu meinen Bedingungen!«
    Seine Bedingungen: dies nervenaufreibende Warten. Das Teilen der Verantwortung. Aber nicht der Gefahr.
    Ein ferner Pfiff: rasche Folge hoher Töne in ungewöhnlicher Melodie. Blätterrascheln. Ein Mann sprang aus der Eiche am Bach – einer von denen, die am Lager geblieben waren.
    »Ist das das Zeichen?« fragte Haibe erregt.
    Der Mann nickte: »Sie kommen zurück!«
    Haibe brach durch das Gebüsch, rannte. Dort unter den Ulmen sah sie Menschen kommen, Männer und Frauen, noch erkannte sie niemanden.
    Ihre Füße flogen über den Waldboden. Dann fiel sie Ritgo um den Hals. »Du lebst, Bruder, du lebst!«
    »Ich hoffe doch, das bleibt noch eine Weile so«, erwiderte er trocken und klopfte ihr auf den Rücken.
    Sie sah die Frauen und Mädchen, so viele waren es, die Männer hatten ein Wunder vollbracht: Gwinne, Mulai, Uori –
    Sie umarmte eine nach der anderen, weinte, lachte, hörte wieder und wieder Worte des Dankes für ihre Mühen, ihre Suche, küßte Säuglinge – Trächtige Muttersau, du hast uns die Kinder wiedergegeben, die dem Ruf der Eule folgen mußten –und hielt doch immer Ausschau nach der Einen.
    »Naki?« fragte sie schließlich leise, so müde auf einmal, ein Abgrund unter ihr, in den sie sank.
    Gwinne nahm sie in den Arm. »Naki war nicht bei uns, nicht am Königshof. Ich weiß, du hast damit gerechnet, Ritgo hat es uns gesagt.
    Nicht verzweifeln, du Liebe, nicht! Ich glaube, wir wissen, wo Naki ist!«
    »Wo ist sie? Wo?«
    Mulai erwiderte: »Der Anführer der Wolfskrieger, die unser Dorf überfallen haben, hat sie für sich beansprucht. Er war wie besessen von ihr. Und als er uns dem König übergab, da behielt er Naki für sich!«
    »Für sich?!« Sie schrie auf, zitterte auf einmal, konnte das Beben ihrer Glieder nicht mehr beherrschen. »Ihr meint, er hat sie, hat sie –«
    »Er hat sie vergewaltigt, sprich es nur aus!« sagte Mulai hart. »Wenige von uns, denen das erspart blieb – und keinem der jungen Mädchen!
    Im übrigen hat er sie besser behandelt als die anderen. Er wird sie zu seiner Nebenfrau gemacht haben, wie die Söhne des Himmels das nennen, und es wird so schwer nicht sein, sie zu finden.
    Und da euch das schier Unmögliche gelungen ist, uns aus dem Königshof zu befreien, sollte es vergleichsweise ein leichtes sein, auch Naki zu retten!«
    Mulai faßte Haibe mit festem Griff an den Schultern und schüttelte sie. »Hörst du, Haibe, gib jetzt nicht auf! Naki braucht dich! Du mußt ihr helfen, wie du uns geholfen hast!«
    Haibe strich die Tränen aus dem Gesicht und straffte sich. »Wißt ihr, wer dieser Wolfskrieger ist? Und wie ich ihn finden kann?«
    Gwinne nickte ihr Mut zu. »Wir denken schon. Uori hat ihn wiedergesehen, sie kann dir von ihm berichten.«
    »Ja, Tante.« Uori versuchte

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