Die Göttin im Stein
verwöhnt!
Nun nimm das Wickelkissen und die Wickelbänder, und lege sie an, wie ich es dir gezeigt habe. Und paß auf, daß du die Arme gut an den Körper bindest!«
Nakis Gesicht wurde rot. »Nein, nein! Wirrkon nicht gebindet!« Sie griff hinter sich, faßte ihren Sohn unter den Armen, zog ihn aus der Schlinge, hob ihn sich über den Kopf, nackt war er bis auf die Windel –, drückte ihn fest an ihre Brust und kreuzte schützend die Arme über ihn.
Er brabbelte und faßte ihr mit seinen winzigen Händchen ins Gesicht.
»Ich geschworen. Aber Ihr versprochen, ich für mein Sohn tue alles. Ich allein!« sagte Naki erregt.
»Ja, natürlich, aber ich muß darauf sehen, daß du es richtig machst. Damit ein starker Junge aus ihm wird!«
»Mein Wirrkon starker Junge ist!« erklärte Naki bestimmt. Und dann streckte sie ihn lächelnd Moria hin. »Da! Ihn nehmt! Selbst seht!«
Moria hielt das Baby im Arm. Weich und entspannt schmiegte es sich an sie.
Nie hatte sie den kleinen Halbbruder daheim ohne das starre Wickelkissen im Arm gehalten. Wie steif hatte er sich in seiner festen Verschnürung angefühlt –
Das Baby schaute mit dunklen Augen forschend in ihr Gesicht. Sie fuhr ihm leicht mit dem Zeigefinger über die Nase, die Wangen, die Lippen. »Ach du«, sagte sie leise, »ach du!« Sie drückte einen Kuß auf seine Haare.
Noch zwei Monde –
Da, plötzlich, war der Schmerz wieder da, zerrte im Rücken, zog krampfhaft im Bauch. Unwillkürlich stöhnte sie auf, bog sich nach vorn.
Naki nahm ihr das Baby ab und stützte sie, hielt sie, bis der Schmerz verklungen war.
Erleichtert richtete Moria sich wieder auf, versuchte zu lächeln, als sei nichts gewesen.
Aber Naki musterte sie besorgt. »Ihr das öfter habt, Herrin?« »Ach, es ist nichts. Nur heute!«
»Heute? Schon lang?«
»Ab und zu. Den ganzen Morgen schon.« Unsicher fügte sie hinzu: »Ich glaube, es kommt immer schneller.«
»Kindschmerz –« Naki stockte. »Wie sagt man, wenn Kind kommt?«
»Du meinst Wehen?!« Moria versuchte zu lachen. »Nein, dazu ist es viel zu früh!« Sie wandte sich ab und ging über den Hof.
Naki lief hinter ihr her. »Eure Mutter!« sagte sie eindringlich. »Ruft Eure Mutter!«
»Meine Mutter?! Wo denkst du hin! Meine Mutter kann nicht zu mir kommen!« Sie merkte selbst, wie schrill ihre Stimme klang.
»Arme Herrin!«
Heftig drehte Moria sich um. Was bildete diese Magd sich ein! Da packte sie der Schmerz von neuem. Sie lehnte sich an den Zaun. »Hol Sahir!« keuchte sie.
Naki rannte davon. Als sie mit Sahir wiederkam, war der Schmerz schon zum nächstenmal über Moria gekommen.
Unmöglich, jetzt zu sprechen.
Moria wartete, bis der Schmerz verklang. »Sahir, lauf zum Hof von Hairox, frag nach der Herrin, meiner Schwester. Sag ihr, ich bitte sie, zu mir zu kommen, sofort. Sag ihr, ich fürchte, die Wehen haben eingesetzt, viel zu früh! Sie soll sich beeilen, ich brauche sie!«
»Ja, Herrin, ja, ich renne, die Nothelferinnen mögen Euch beschützen!« Sahir eilte davon. Nur Naki war noch bei ihr. Moria blieb an den Zaun gelehnt stehen.
Zu früh, viel zu früh.
Die Strafe der Himmlischen.
Eine neue Wehe.
Sie wimmerte.
Naki faßte sich in den Ausschnitt, zog ein Lederbeutelchen am Band heraus, öffnete es und entnahm ihm einen Kiesel, den sie ihr in die Hand drückte. »Da, Herrin! Die Eins ist in Drei und Drei in Eins! Die Hirschkuh. Sie Euch hilft!«
Morias Hand schloß sich um den Kiesel. Kühl und glatt lag er in der Hand. Eine Ruhe entströmte ihm, ein Trost, eine Kraft
–
Die Kraft der Göttin.
Sie strich über den Stein in ihrer Hand. »Göttin, hilf mir!« flüsterte sie inbrünstig.
»Du hast mich gerufen?« Eine Gestalt kam über das Moor auf sie zu, in weit wallende schwarze Tücher gehüllt, ein dunkles, altes Gesicht. Fremd, und doch irgendwie vertraut.
Die Worte kamen von selbst über ihre Lippen: »Ich brauche deine Hilfe!«
»Ich weiß!« Eine kühle Hand faßte nach der ihren.
Die nächste Wehe. Morias Finger krallten sich um den Stein.
Er half.
Naki, den kleinen Wirrkon auf dem Rücken, legte sich Morias Arm über die Schulter und führte sie im Schatten des Hauses auf und ab.
Und Moria ließ sich führen. Eine endlose Zeit.
Die Schatten wurden größer. Und noch immer war Cythia nicht da.
Bei jeder Wehe klammerte sich Moria an Naki.
»Ins Haus, Herrin, auf Bett. Ihr viel Kraft braucht jetzt!«
Die Magd bereitete ihr mit Kissen und Decken ein Lager, auf dem sie sich halb
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