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Die Göttin im Stein

Titel: Die Göttin im Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Beyerlein
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ein offenes Dreieck in den Sandboden, richtete sich schwer atmend wieder auf. »Schwöre!« sagte sie. »Schwöre bei der, die Eins ist in Drei und Drei in Eins! Schwöre, daß du deinen Sohn nicht entführen wirst!«
    Naki und Lele starrten sie an.
    »Herrin, nicht, was tut Ihr?« stieß Noedia entsetzt hervor und zog an Morias Arm.
    Moria schüttelte sie ab. Sah Naki in die Augen.
    Naki und sie. Nur sie beide allein.
    »Schwöre!« wiederholte Moria.
    Und Naki trat in das Dreieck und schwor.
    »Götter, Euch zieh' ich zu Zeugen, Himmlische, hört meinen Schrei!
    Jungfrau von edelster Jugend, bräutlich Briseia hier war. Tot liegt sie nun auf der Trage, meuchlings gemordet vom Feind.
    Rache rat' ich als Richter. Blut wird gesühnt nur durch Blut!«
    Rösos, der Oberste Priester, zog das Tuch von der Trage. Da lag sie aufgebahrt im weißen Kleid, mit der Bernsteinkette, Lykos' Brautgeschenk, geschmückt, das blasse Gesicht schmal und zerbrechlich in einer Flut dunkler Locken – Briseia, die Braut.
    Lykos stöhnte auf. Sein Stöhnen wurde aufgegriffen, ging wie ein Lauffeuer durch die Menge der anwesenden Priester, Herren und Wolfskrieger.
    »Seht sie an, meine Tochter!« sagte der König. »Und bedenkt, daß es eure Tochter sein könnte, eure Schwester, eure Braut! Sie lebte an meinem Hof unter meinem Schutz, tugendhaft und gehorsam wie nur eine.
    Und sie ist tot. Nicht dahingerafft von einer Seuche. Nicht dem unerforschlichen Ratschluß der Himmlischen anheimgefallen.
    Nein, gemordet. Gemordet von einer Horde roher Bauern des Alten Volkes aus dem Westen. Gemordet vom Bernsteinbären.
    Wer von Euch könnte jetzt noch sagen, daß sein Hof sicher sei – da meiner es nicht war?
    Wer von Euch kann jetzt des Segens und der Heiligkeit seines Herdfeuers noch gewiß sein, da das Königsfeuer erstickt wurde?
    Wer von Euch könnte behaupten, er sei in der Lage, seinen Frauen, Töchtern und Schwestern sicheren Schutz zu gewährleisten – da ich es nicht konnte?
    Gestern wollte ich sie in die Hände des Mannes geben, den ich ihr zum Gatten gewählt hatte. Morgen wollte er sie um sein Herdfeuer führen.
    Doch sie ist tot. Und mein Herdfeuer ist erloschen. Und wessen Schuld ist es?
    Meine?
    Soll ich meinen Hof nicht mehr mit meinem Gefolge verlassen können, soll ich meinem Amt und meinen Pflichten nicht mehr nachgehen können, weil ich fürchten muß, sobald ich den Rücken kehre, wird mein Hof überfallen?«
    »Nein!« schrien die Männer. »Nie und nimmer!« »Wessen Schuld also ist es?«
    »Die Schuld des Bernsteinbären – die Schuld des Alten Volkes – die Schuld der Bauern aus dem Westen!« schrien die Männer durcheinander.
    Der König hob beide Arme, gebot Ruhe.
    »Ihr sagt es. Mein Herdfeuer wurde entweiht, und meine Tochter wurde getötet durch die Schuld des Bernsteinbären und seiner Männer vom Alten Volk aus dem Westen.
    Warum haben sie meinen Hof überfallen? Weil sie uns alle treffen wollten, mich und jeden einzelnen von Euch, indem sie das Königsfeuer vernichteten und so unser aller Hausfrieden zerstörten. Und weil sie mir mein Hab und Gut rauben wollten: die Frauen, die als rechtmäßige Kriegsbeute in meinem Webhaus arbeiteten. Nein, nicht nur die Frauen, auch die Säuglinge, die diese Frauen mir geboren haben, deren Vater ich war, oder meine Gefolgsleute und Wolfskrieger! Söhne, die zu Kriegern herangewachsen wären, Töchter, die den Kindersegen gemehrt hätten!
    Sollen wir in Zukunft um unser Hauswesen, unsere Familien, unsere Nachkommen, unsere Habe fürchten müssen?!« »Nein! Niemals!«
    »Was also sollen wir tun?«
    »Krieg!« schrie Lykos. »Tod den Mördern meiner Braut! Tod dem Bernsteinbären! Tod dem Alten Volk!«
    Sein Ruf wurde aufgegriffen, steigerte sich zu dröhnendem Schlachtruf: »Krieg! Tod den Mördern von Briseia! Tod dem Bernsteinbären! Tod dem Alten Volk!«
    »Ihr fordert den Krieg?« rief der König. »So schwört ihn! Schwört, daß ihr all eure Kräfte aufbieten werdet in einem Krieg, wie er noch nie dagewesen ist!
    Schwört, daß ihr eine Streitmacht bilden werdet, die ihresgleichen nicht hat!
    Schwört, daß ihr kämpfen und nicht ruhen werdet, solange noch eine Hand eines Bauern sich gegen uns erhebt, solange noch ein Mann des Alten Volkes lebt, der das Knie nicht vor uns beugt, solange noch eine Frau des Alten Volkes uns trotzt!
    Schwört es einer nach dem anderen am Leichnam meiner unschuldigen Tochter!
    Lykos, du solltest Briseia heimführen. Du als ihr Bräutigam

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