Die Göttin im Stein
ein Lächeln. »Ich, mich haben sie nämlich manchmal aus dem Webhaus geholt und am Herd arbeiten lassen, und eines Tages, ich war gerade im Hof beim Mahlstein, da kam er hereingeritten, er sah sehr verändert aus, kein Wolfsfell, sondern ein schwarzer Mantel, und das Haar so anders, aber ich habe ihn trotzdem erkannt, und sie haben auch seinen Namen genannt, den gleichen Namen, mit dem die Wolfskrieger ihn angeredet haben: Lykos.
Er muß ein großer Herr sein, ein berühmter und mächtiger Herr, einer, den jeder kennt und zu dem dir jeder den Weg zeigen kann, mit einem großen Hof, denn er, er«, sie geriet ins Stocken.
»Er war der Bräutigam der Tochter des Königs, der armen Briseia«, vollendete Mulai den Satz, und ihre Stimme, die eben noch so harsch geklungen hatte, schien zu versagen.
Schweigen.
»Der armen Briseia?« wiederholte Haibe. Wovor fürchtete sie sich auf einmal?
»Der armen Briseia, ja«, brach es aus Ritgo heraus. Er schrie: »Wir haben uns vorgesehen, keine Frau und kein Kind sollten zu Schaden kommen, sogar das Feuer haben wir gelöscht, damit nicht in der Hitze des Kampfes ein Unglück damit geschehen und Brand um sich greifen konnte, nur die Männer, die uns angriffen, mit denen wir kämpfen mußten, die haben wir getötet, aber wir wußten nicht, daß Briseia im Haus war, ein ganz junges Mädchen, wir mußten die Tür aufstemmen, wir nahmen einen Balken als Rammbock, das Türblatt war viel dünner, als wir dachten, es gab beim ersten Aufprall nach, der Balken schlug hindurch, wer konnte auch ahnen«, er hielt ein, sprach plötzlich ganz leise, fast tonlos weiter, »wer konnte auch ahnen, daß dieses Mädchen sich in seinem kindlichen Mut von innen gegen die Tür gedrückt hatte, um sie zu halten!«
Haibe wandte sich ab.
Ging allein in den Wald.
Ich war es, die Ritgo zu diesem Überfall gedrängt hat. Ich habe einer Mutter die Tochter getötet.
Sie schleppte sich zum Bach, kniete nieder, steckte das Gesicht ins Wasser, wusch sich die Hände, wusch und wusch.
Dann war Ritgo neben ihr. »So was wäscht man nicht ab, Haibe. Ich weiß es«, sagte er.
Ihre Blicke wichen einander aus.
Und auf einmal, mit schrecklicher Klarheit, war das Wissen da: Ich werde meine Tochter verlieren.
16
So ruhig wie heute war es noch nie am Hof gewesen. Die wenigen zurückgebliebenen Knechte bei den Herden, Chtairus mit einem Auftrag unterwegs, alle Frauen außer ihr selbst, Sahir und Naki im Wald beim Beerenpflücken.
Seltsam. Sie konnte an diese Naki denken, sie konnte sogar daran denken, daß Lykos mit der das Lager geteilt hatte, und es tat nicht mehr weh.
Naki oder irgendeine andere. Was machte es für einen Unterschied!
Es waren nicht die Mädchen. Es war Lykos.
Moria nahm die Arme aus dem Backtrog, krümmte sich zusammen, preßte die Zähne aufeinander.
Da war er wieder, der Schmerz. Oft schon hatte es ihr in den letzten Tagen im Rücken gezogen, aber noch nie derart heftig wie heute morgen.
Mutter! Es tut so weh. Fast könnte ich denken, die Geburt beginnt.
Aber das ist unmöglich. Noch beinahe zwei Monde! Der Schmerz verklang.
Moria streifte Teig und Mehl von Händen und Armen. »Sahir, knete du weiter!« sagte sie und trat aus der Tür, lehnte sich Atem schöpfend an den Pfosten.
Naki kniete unter dem Windschirm und mahlte Mehl. Ihr Baby lag in der Schlinge auf ihrem Rücken, hatte die Wange an die bloße Haut im weiten Halsausschnitt gelegt, hielt sich an einer Haarsträhne fest, ließ sich von den Bewegungen der Mutter hin und her schaukeln und schaute aufmerksam um sich.
Wie zufrieden und gelöst es aussah.
Anders als alle Säuglinge, die Moria daheim am Hof erlebt hatte.
Aber es war ganz falsch.
Lykos hatte ihr die Aufsicht über seinen Sohn befohlen ...
Sie räusperte sich. »Du sollst das Kind nicht auf deinem Rücken tragen! Es verkrümmt seine Glieder! Und so, wie es die Arme frei hat, könnte es sich die Augen auskratzen!«
Naki sah auf. »Aber nein, alle Mütter ihre Kind tragen bei Arbeit!«
Moria schüttelte den Kopf, sprach langsam und betont: »Ihr vielleicht, weil ihr es nicht besser wißt!
Ich habe dir doch erklärt: Ein Baby gehört fest in Wickelbänder gewickelt und auf ein hartes Wickelkissen geschnürt, damit seine Glieder gerade wachsen und es sich nicht verletzen kann.
Es braucht einen festen Platz und Ruhe zum Schlafen. Und regelmäßige Abstände, zu denen es gestillt wird.
Strenge Gewohnheiten, sonst wird es verzogen und hoffnungslos
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