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Die Göttin im Stein

Titel: Die Göttin im Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Beyerlein
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nicht wagen sich zu erheben. So hoffe ich. Wohler wäre mir freilich, wir könnten mehr Krieger hierlassen, wie der weise Rösos es fordert. Aber das ist unmöglich. Wir können keinen großen Krieg nur mit zwei Dritteln unserer Streitmacht führen! Wenn wir jetzt nicht alles wagen, werden wir nichts gewinnen.«
    Lykos nahm an den folgenden Beratungen über das Zusammenziehen der Streitmacht keinen Anteil. Scham und Zorn brannten in ihm. Mußte ihm nicht jeder ansehen, daß er nach den Sternen gegriffen hatte und einen Haufen Dreck in den Fingern hielt?
    Als sei er nur irgendeiner. Irgendeiner von vielen.
    Mit seinem Rat, die Bauernsöhne als Geiseln zu nehmen, war die Aufbietung der Streitmacht erst ermöglicht worden –und keiner dankte es ihm!
    »Nun, Lykos, so schweigsam?« Der König legte ihm die Hand auf die Schulter und lächelte ihm hintergründig zu. »Kein kluger Rat von deiner Seite?
    Ist es die Trauer um Briseia, die dich so verstummen läßt?« Lykos preßte die Zähne zusammen, stieß schließlich her-
    vor: »Ihr sagt es, mein König. Die Trauer um Briseia.«
    Der König nickte. »Ich weiß, was deine Trauer stillen kann.
    Ich erteile dir einen Auftrag, der dich heilen wird.
    Ich möchte, daß du den Bernsteinbären aufspürst. Keiner der drei Heeresgruppen sollst du fest angehören, sondern: Wo der Bernsteinbär ist, da sollst auch du sein. Stelle ich ihn, so wirst du an meiner Seite sein. Ist es Eraiox, so ist dein Platz bei diesem. Sollte der Bernsteinbär noch einmal in unserer Heimat sein Unwesen treiben, so wirkst du dort mit Hairox zusammen.
    Wo immer es Anzeichen für den Aufenthalt des Bernsteinbären gibt, dorthin sollst du eilen. Du sollst ihm auf den Fersen bleiben, ihn jagen, und sei es bis ans Ende der Welt.
    Und du sollst es sein, der ihn tötet. In der Schlacht, im Zweikampf, im Hinterhalt – wo auch immer. Wähle dir zu deinen eigenen Männern eine Handvoll Wolfskrieger aus, die besten meinetwegen, und mit ihnen erfülle deinen Auftrag!
    Und wenn es dir gelingt – nun, in ein, zwei Jahren kommt meine Tochter Langonia ins heiratsfähige Alter!«
    Kein Warten je so furchtbar wie dieses.
    Seit Tagen harrte Haibe im Wald aus, verborgen im Versteck des Bruders und seiner Gefährten, und wartete.
    Wartete, daß Ritgo mit den anderen Männern die Frauen befreite und glücklich herführte: die Schwester, die Kusinen, die Nichten, die Schwägerinnen und die Freundinnen. Und vor allem die eine, die Tochter.
    Oder daß sie erfuhr, daß alles verloren war. Der Überfall auf den Königshof gescheitert. Jede Hoffnung zunichte. Ritgo tot.
    »Weißt du, wie sie mich nennen, die Söhne des Himmels?« Ritgo lachte, fuhr sich mit den Fingern durch das struppige Haar, seine Augen blitzten, Spottlust und Verwegenheit, die sie nicht an ihm kannte: »Den Bernsteinbären!«
    »Den Bernsteinbären?«
    Er grinste. »In ihrer Sprache natürlich. Mir haben's Bauern zugetragen, ich habe da meine Verbindungen. Jeden falls, der Name gefällt mir nicht schlecht. Und den habe ich dir zu verdanken!«
    »Mir?« fragte sie verständnislos.
    Er nickte, faßte an die Bernsteinkette um seinen Hals. »Die Kette unserer Mutter, weißt du nicht mehr?«
    »Und ob ich es weiß!«
    Möge sie dich immer erinnern, wo deine Wurzeln sind – und was es ist, wofür du kämpfst...
    Wo hatte sie den Hochmut hergenommen, zu glauben, sie sei berufen, ihn daran zu mahnen?
    »Ritgo, du wirst es doch tun, nicht wahr?«
    Er, schroff – dieser Ton, früher hat er ihn nicht gehabt –: »Was werde ich tun?«
    »Unsere Frauen und Mädchen aus dem Königshof befreien?«
    »Befreien, Haibe? Aus einem befestigten, bewachten Hof, in den hineinzugelangen es dir, einer unverdächtigen Bäuerin, nicht gelungen ist?«
    Warum macht er es mir so schwer. Es sind doch auch seine Schwester, seine Kusinen, seine Nichten.
    Ritgo fuhr fort, unerbittlich. »Meinst du, ich könnte, was du nicht konntest: hineinspazieren, mit den Frauen sprechen, sie herausführen – einfach so? Ohne Kampf, ohne Blutvergießen? Meinst du das mit befreien?«
    »Ich – nein.« Ihre Stimme heiser. »Nein, das meine ich nicht.«
    »Was dann?«
    »Ritgo, warum fragst du noch, warum tust du das . . .« »Sprich es aus, Schwester. Findest du nicht, du schuldest es mir?«
    Sie schluckte. »Doch. Ich schulde es dir.«
    Schweigen.
    Es geht um Naki. Ich will meine Tochter wiederhaben. Meine Schwester. Meine Kusinen. Meine Nichten. Meine Schwägerinnen. Das einzige, was

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