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Die Göttin im Stein

Titel: Die Göttin im Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Beyerlein
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hustete, brüllte aus Leibeskräften: »Feuer!«
    Ihr Schreien wurde aufgenommen von einer gellenden Frauenstimme: »Feuer!« und »Raus! Schnell raus!«
    Noedia erschien im Rauch, zog die Herrin hinter sich her, Naki stand noch immer, Ria, wo ist Sahir mit Ria, »Sahir!« brüllte sie, doch Sahir kam nicht, Naki stolperte vorwärts, dichter Rauch nahm ihr die Sicht, »Sahir, hierher!«, ich muß
    Ria retten, die Göttin will es so, eine Gestalt taumelte aus dem Rauch auf sie zu, Sahir mit Ria, »Raus, schnell!« schrie Naki und schob die Magd mit dem Kind auf die Tür zu, ein Windstoß fegte herein, da brauste das Feuer ins Dach, Flammen, überall Flammen, sie selbst an den Pfosten gebunden, Hände und Füße gefesselt, der Mund geknebelt, Wirrkon erschossen, der kleine Rablu erdrosselt, Karu erschlagen, das Feuer im Dach, der brennende Balken, gleich stürzt er auf mich, der Wolfskrieger, es hat kein Ende, es hat nie ein Ende –
    »Naki! Der Balken!« Sie hörte den warnenden Schrei. Sah weiter hinauf. Sah den brennenden Balken, der aufplatzte, sich spaltete, hell loderte. Stand gefesselt, geknebelt: unfähig, sich zu rühren.
    Sah.
    Sah den Balken, der durchbrach. Den Balken, der herabstürzte. Den Balken, der sie erschlug.
    »Herrin, so kommt doch weg von hier!«
    Moria rührte sich nicht, stierte durch Noedia hindurch, sah sie nicht, sah noch immer das Feuer.
    Fest hielt sie die kleine Ria an sich gepreßt.
    Ich lass' dich nie wieder los.
    Als Noedia mich aus dem Schlaf gerüttelt, als sie mich mit sich aus dem Haus gezogen hat, warum habe ich da nichts von dem begriffen, was geschah? Nicht verstanden, daß es brannte? Warum warst nicht mein erster und einziger Gedanke du, mein Kind?
    Ich habe dich geboren. Aber die andere, die war deine wahre Mutter.
    Die ist ins brennende Haus gelaufen, um dich herauszuholen.
    Die ist für dich gestorben.
    »Herrin, so gebt mir wenigstens das Kind!«
    Sie antwortete nicht, schloß die Arme noch fester um die Kleine.
    Noedia seufzte, wandte sich ab und ging zum Hof zurück.
    Zu dem, was einmal der stolze Lykoshof gewesen war. Niedergebrannt bis auf die verkohlten Pfosten.
    Das Feuer wütete nicht mehr, es hatte seine Kraft erschöpft, gefräßig alles verschlungen, was ihm gefiel.
    Doch noch immer schwelten und glühten die schwarzen Trümmer, strahlten Hitze ab und machten den Frost zum Sommertag.
    Moria öffnete die Lippen wie zum Schrei. Schloß sie wieder.
    Das große Wohnhaus, das kleine Gesindehaus und die Nebengebäude, die Kleider und die Webstücke, die Truhen und Bänke und der Hausrat, das Getreide und die anderen Vorräte: alles verbrannt.
    Ihr Kind aber lebte.
    Plötzlich rannte sie Noedia nach. »Wirrkon«, schrie sie, »ist der Junge gerettet, habt ihr ihn gesehen?«
    Noedia drehte sich zu ihr um, führte sie von der Brandstelle weg und drückte sie auf einen Findling, der den Wegrand begrenzte. »Herrin, wir haben ihn nicht gefunden. Wir haben ihn überall gesucht. Er muß«, sie sprach nicht weiter, fügte schließlich unter äußerster Überwindung hinzu: »Naki hat ihn unter dem Mantel auf dem Rücken getragen, als sie in der Nacht wegging.
    Er – er muß mit seiner Mutter gestorben sein!«
    »Nein!« schrie Moria. »Nein! Nein! Nein!«
    Ria wachte auf, weinte.
    Moria vergrub ihr Gesicht am kleinen Körper der Tochter. »Ja, weint nur, weint«, murmelte Noedia hilflos, »es wird Euch guttun!«
    Moria hob den Kopf. »Habt ihr nicht seinen Leichnam ...«
    »Wie denn, Herrin! Naki liegt unter dem verbrannten Dach begraben, und mit ihr das Kind. Herrin, bedenkt doch, das ganze Ried, das ganze Holz! So, wie das Feuer an dieser Stelle gewütet hat, kann man nicht erwarten, noch etwas von einem so kleinen ...« Sie verstummte.
    Mein Kind hat sie gerettet. Und ihres ist mit ihr gestorben.
    »Der Herr kann Euch nicht zum Vorwurf machen, daß sein Sohn gestorben ist!« versuchte Noedia zu beruhigen. »Gegen so ein Feuer wart Ihr machtlos.«
    Wovon spricht sie?
    Ach – Lykos. Du bürgst mir für ihn.
    Bürgen!
    Sie lachte.
    »Herrin, was ist mit Euch? Kehrt das Fieber zurück?« Besorgt strich Noedia ihr über die Stirn.
    »Laß mich!« wehrte sie ab.
    Chtairus hüpfte mit lautem Gestöhn an zwei Stöcken herbei, blieb vor Moria stehen.
    »Herrin«, begann er aufgeregt, seine Stimme ein schriller Angstschrei, »Ihr müßt für mich zeugen! Ich war krank, ich konnte letzte Nacht nicht Wache halten, aber ich habe ordnungsgemäß die Aufsicht an Torvo weitergegeben, er

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