Die Göttin im Stein
gezeigt hat. Nakis Hände, die waren wirklich Gold wert. Aber davon verstehst du nichts, Lykos.
»Lykos«, begann sie und massierte seinen Fuß so, wie es ihm gewöhnlich am meisten Behagen bereitete, »du weißt, deine Stellung als König bringt es mit sich, daß mir vieles bekannt wird, wovon ich sonst nichts wüßte. Viele Frauen schütten mir ihr Herz aus, viele Frauen wenden sich an mich um Hilfe nur aus dem einen Grund: weil mein Gemahl der König ist. Dabei wissen sie natürlich, daß nicht ich ihnen helfen kann. Daß nur einer es kann: du. Aber sie hoffen darauf, daß du mir dein Ohr leihen wirst, daß ich ihre Anliegen vor dich trage.«
»Und da denkst du, der Augenblick, in dem du mir mit heißem Schlamm den Rücken verbrannt hast, wäre gerade recht und ich sei nun Wachs in deinen Händen wie mein Fuß?« meinte Lykos und ächzte wohlig.
Sie entschloß sich zu einem kleinen Lachen, griff nach dem anderen Fuß und knetete ihn. »Dir kann man aber auch gar nichts vormachen!« sagte sie scherzend, beugte sich vor und küßte seinen Nacken. Er wollte sich umdrehen, doch sie sagte rasch: »Liegenbleiben! Die Behandlung ist noch nicht beendet!«
Er knurrte. Dann befahl er in die Kissen hinein: »Also meinetwegen, rede! Womit willst du mir in den Ohren liegen?«
In vielen schlaflosen Nächten hatte sie sich die Worte zurechtgelegt, hatte sie in Speisen hineingerührt, in Kuchen und Brote hineingebacken. Würden sie ihr jetzt zu Gebote stehen?
»Als König bist du doch wie kein anderer der Stellvertreter der Himmlischen auf Erden«, begann sie, »bist ihnen näher als jeder andere, selbst als die Priester?«
»Hm. Worauf willst du hinaus?«
»Ich möchte dich«, sie geriet ins Stocken, Rinnsale von Schweiß rannen ihr die Innenseite der Arme hinunter, »du hast doch wie die meisten Herren immer geduldet, daß die Bäuerinnen und Bauern des Alten Volkes ihrem schwarzen Aberglauben anhängen, daß sie ihre Göttin verehren, selbst mein Vater als Oberpriester hat das hingenommen –«
Mit den Fingerspitzen spürte sie an den Muskeln seines Fußes, wie sein Körper sich wachsam anspannte. »Und?« fragte er.
»Es ist so, ich möchte dich bitten, der vielen Nebenfrauen eingedenk zu sein, die als Mädchen des Alten Volkes in ihren Bauernfamilien in diesem Aberglauben aufwuchsen und denen nun an den Höfen der Herren verboten ist, den Trost ihres Glaubens zu erfahren –«
Heftig entzog ihr Lykos seinen Fuß, drehte sich herum, setzte sich auf, der Moorschlamm rutschte von seinem Rücken, er saß in einem braunen Brei, aber ihr war nicht zum Lachen, ganz und gar nicht. »Heißt das, du willst mich allen Ernstes bitten, dafür zu sorgen, daß den Frauen des Alten Volkes ihre abergläubischen Tänze und Beschwörungen auch dann erlaubt bleiben, wenn sie als Nebenfrauen an den Höfen der Herren leben, die Kinder der Herren tragen und großziehn? Wasch dieses Zeug hier ab! Und gib mir meinen Kittel!«
Mit fliegenden Händen griff sie nach einem Tuch und warmem Wasser, spülte den Schmutz von seinem Rücken, trocknete vorsichtig die gerötete Haut. »Es ist doch nichts Großes«, beteuerte sie. »Es hört sich viel schlimmer an, als es gemeint ist. Es würde doch nicht den Ruhm und die Ehre der Himmlischen schmälern. Jeder erkennt deren Glanz und Stärke, die Mädchen des Alten Volkes, die in die Betten der Herren«, sie stockte – »gezwungen werden« hatte sie sagen wollen, halt, nein, damit begab sie sich auf gefährliches Gebiet –, »genommen werden, die doch allemal und erst recht, es sind ja nur Mägde, aber sie tragen die Kinder der Söhne des Himmels, und sie sind es gewohnt, sich in ihren schwersten Stunden ihrer Schwarzen Göttin anzuvertrauen, ohne den Glauben an deren Nähe sind sie oft nicht in der Lage, den Schmerz zu ertragen, ihr Kind zur Welt zu bringen, was glaubst du, wie viele Kinder tot geboren werden, wie viele Mütter bei der Entbindung sterben ...«
Lykos zog den Kittel über, stand auf und sah auf sie herab. »Es ist dir wirklich Ernst damit, was?«
Sie nickte. »Sie würden ja die Himmlischen trotzdem verehren, wie ihre Herren es sie lehren. Aber – sie können doch nicht ganz und gar den Glauben verleugnen, in dem sie aufgewachsen sind!«
Lykos verzog den Mund. »Nun, das ist eine Frage dessen, wie gründlich man ihnen den austreibt, meinst du nicht auch?«
Hitze stieg ihr in den Kopf. »Vielleicht«, sagte sie leise. »Aber vielleicht stirbt manche auch lieber.«
Lykos drehte
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