Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Göttin im Stein

Titel: Die Göttin im Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Beyerlein
Vom Netzwerk:
du!«
    Schweigen. Sie wagte nicht, ihn anzusehen.
    Endlich erhob er sich. »Ich nehme an, nun hast du gesagt, was du sagen wolltest. Es war eine ganze Menge.
    Mach mir Proviant zurecht und sag Langonia, sie soll mir mein Festgewand packen, ich reite für mindestens drei Tage zum Hof deines Bruders! Krugor hat zum großen Gastmahl geladen, da er den schwarzen Mantel gegen den weißen zu tauschen gedenkt.«
    »Wie du es wünschst!« Erleichterung darüber, daß er sie angehört hatte, ohne Verdacht zu schöpfen, mischte sich mit Enttäuschung darüber, daß er mit keinem Ton zu erkennen gab, ob er ihre Bitte in Erwägung ziehen oder ihr gar entsprechen würde.
    Sie lief in den Nebenraum, schloß sorgfältig die Tür hinter sich und legte dort Langonia die Arme um den Hals, der Zweitfrau, der Freundin, der Vertrauten. »Ich hab' es getan«, flüsterte sie ins Haar der anderen. »Ich hab' ihn gebeten, die Tänze zu erlauben, für alle!«
    »Und?« Langonia sah sie so angst- wie erwartungsvoll an. »Wie hat er es aufgenommen?«
    Moria hob die Schultern. »Schwer zu sagen«, erwiderte sie leise. »Er hat nichts darauf geantwortet. Jedenfalls ist er nicht mißtrauisch geworden, und der erste Schritt ist getan. Langonia, du sollst seine Festkleidung packen, er reitet zum Hof von Krugor, bleibt für Tage dort auf einem Fest, verstehst du, wir haben freie Hand, endlich ist er einmal wieder weg!«
    Langonias Augen wurden rund. »Du meinst – heute nacht?«
    Moria lachte. »Heute, morgen, übermorgen! Ich schicke gleich Sahir zu Plitovits Hof, damit sie Ria Bescheid sagt, sicher ist auch Plitovit bei Krugor geladen, endlich können wir es wieder tun, und heute, nach alldem, ist es mir nötiger denn je!«
    Wenig später hatte sie Brot, Käse, Rauchfleisch und kalten Braten eingepackt, einen Schlauch mit Bier gefüllt und gebührend Abschied von Lykos genommen. Sie sah ihm nach, wie er aus dem Hof ritt. Ein tiefer Schmerz erfaßte sie. Wie er auf dem Pferd saß, war er noch immer eine sehr kraftvolle Erscheinung. Außer Langonia und ihr konnte niemand ahnen, welche Qualen es ihm bereitete, auf das Pferd zu steigen.
    Nein, viel Zeit blieb nicht mehr. Wenn er vom Fest zurückkam, mußte sie versuchen, zu einem guten Ende zu führen, was sie begonnen hatte. Doch erst einmal hieß es, neue Kraft zu sammeln und die Tage zu nutzen, in denen er fern war. Die Nächte.
    Sie rührte Honig in den Met. Er mußte sehr süß sein, damit die Männer den bitteren Geschmack des Kräutersudes nicht bemerkten. Voll Dankbarkeit und Trauer dachte sie dabei an die längst verstorbene Cythia, die ihr das Geheimnis jener Kräuter und Beeren anvertraut hatte, die den Met zu einem unwiderstehlichen Betäubungstrank machten. Wenn die Schwester noch lebte ...
    Alles gelang, wie es immer gelungen war. Durstig durch den versalzenen Fisch, den sie ihnen als Abendmahl vorsetzte, sprachen die Männer des Hofes übermäßig dem Met zu. Peinlich genau achtete Moria darauf, daß jeder genug trank. Noch einmal so ein verhängnisvolles Versehen wie damals bei Owros durfte nicht geschehen. Auch die Kinder bekamen ihren sorgsam bemessenen Anteil am Schlaftrunk. Und Echme, die jüngste und schönste der Nebenfrauen, brachte mit ihrer verführerischen Weiblichkeit auch den am Tor wachhabenden Knecht dazu, einen großen Becher Met zu trinken, obwohl schon der geringste Schluck dem Wächter unter Strafe verboten war.
    Als es Nacht war, schliefen alle Männer, alle Knaben, alle Kinder. Nur die Frauen und die beiden jungen Mädchen–eine Tochter von Langonia und eine von Sahir – waren wach. Sie sahen noch einmal jedem Schläfer forschend ins Gesicht. Schlichen zum Tor und warfen eine Strickleiter über den Torpfosten, kletterten eine nach der anderen hinüber, die Jüngste, als letzte, warf die Strickleiter in den Graben und sprang behend wie eine Wildkatze auf den Steg. Sorgsam versteckten sie die Strickleiter, um vor dem Morgengrauen in den Hof zurückkehren zu können.
    Den Fehler, das Tor offenzulassen wie einstmals, machte Moria schon lange nicht mehr.
    Gemeinsam schlichen sie in den Wald, auf die Lichtung. Dort trafen sie auf Ria. Und tanzten im Mondschein, wie sie es immer taten, wenn Lykos und Plitovit fern waren. Tanzten und riefen die Große Bärin herbei. Fanden Linderung ihrer Plagen, neuen Mut zum Leben. Fanden Frieden und tiefes Glück.
    Alles gelang, nur das eine nicht: daß Lykos nicht tagelang wegblieb, wie er es angekündigt hatte.
    Riecht Ihr den Met,

Weitere Kostenlose Bücher