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Die Göttin im Stein

Titel: Die Göttin im Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Beyerlein
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Gesicht des Vaters gnadenlos. »Du gehst jetzt Ruten schneiden, lang, dünn und biegsam! Damit werde ich dich gehorchen lehren . .«
    Lykos preßte die Lippen zusammen. Der Vater hatte recht behalten: Es hatte ihn gehorchen gelehrt. Bei Naki würde es dies auch tun.
    Er schnitt die Zweige und befreite sie von den Blättern. Als er sie prüfend durch
die
Luft pfeifen ließ, zuckte er unwillkürlich zusammen.
    Dennoch hielt er
die
Ruten in der Hand, als er zum Hof zurückkehrte. Er würde sein Gelübde halten.
    Die Männer brachten Naki zurück, ehe die Sonne unterging.
    Auf seinen Befehl versammelte sich die ganze Hausfamilie auf dem Hof. Schweigend standen sie im großen Kreis, folgten jeder seiner Bewegungen mit den Augen.
    Naki, gefesselt, stand im Mittelpunkt des großen Kreises, allein. Sie hielt den Kopf tief gesenkt, verkroch sich förmlich in sich selbst.
    Einen kurzen Augenblick hatte Lykos das überwältigende Bedürfnis, sie in die Arme zu nehmen, zu trösten, zu schützen.
    Als Ebenbild des Himmelsvaters auf Erden – ein starker Herr und Gebieter – allen, die in deine Gewalt gegeben sind – Ehrerbietung und Gehorsam – gelobe – gelobe –
    Mit kühler Stimme gab Lykos kurze Befehle, hieß die Mägde, Naki zu entkleiden, die Knechte, sie an den Zaun zu binden, nahm selbst die Ruten, trat hinter Naki.
    Jeder im Hof hielt den Atem an. Nur der Wind heulte im Hausdach.
    Nakis nackter Körper zitterte in der Abendkälte.
    So jung, so vollkommen.
    Fest preßte er die Zähne aufeinander.
    Der erste Hieb fiel ihm schwer. Er mußte sich zwingen, weit auszuholen, mit aller Kraft zuzuschlagen. Dann, als ihr Schrei gellte, als er das Zucken ihres Fleisches sah, ihr Blut, kam der Rausch über ihn, und nicht mehr er selbst war es, der sie auspeitschte.
    Er hörte erst auf, kam erst wieder zu sich, als ihre Schreie abbrachen und sie bewußtlos in den Fesseln hing.
    Er ließ seinen Blick über die ganze Hausfamilie gleiten. Nicht einer, der nicht erschreckt die Augen vor ihm niedergeschhagen hätte.
    Da wußte er, daß er sich mit dieser Züchtigung mehr Gehorsam verschafft hatte, als wenn er Naki getötet hätte.
    »Bringt mir mein Pferd!« Leise und gleichgültig ließ er die Worte in das zitternde Schweigen fallen. Ihre Wirkung war ungeheuerlich.
    Temos und ein Knecht stoben davon. Die anderen aber standen, als würden sie sich nie wieder regen können.
    Er schwang sich auf den Hengst. Von dessen Rücken herab befahl er einem Knecht mit einer angedeuteten Kopfbewegung zu der noch immer bewußtlosen Naki hin: »Binde sie los, und sperr sie in den Verschlag im Speicher! Und du, Noedia, versorg ihre Wunden!«
     

6
    Naki fuhr mit den Fingerspitzen über das rauhe Holz der Spaltbohlen. Ein Spreißel bohrte sich in ihre Haut. Sie zuckte zurück, führte den Finger an die Lippen, tastete mit der Zunge nach dem Splitter und zog ihn mit den Zähnen heraus. Dann begann ihr ruheloses Tasten von neuem.
    Jede Handbreit der Bretter war ihr vertraut. Diese Mulden hatte sie mit den Fingernägeln hineingebohrt, jene Späne her-ausgeschält.
    Längst waren alle Fingernägel abgebrochen.
    Nie würde es ihr gelingen, ohne Werkzeug dieses harte Brett zu durchbrechen.
    Eichenholz.
    Bilder blitzten auf: Karu und Wirrkon, wie sie Keile in den Eichenstamm trieben, um ihn zu spalten – Oheim Aktoll, wie er mit dem Beil eine Nabe in ein Eichenrad schlug – der Große Oheim, wie er einen Baum fällte –
    Gute Bilder.
    Verzweifelt versuchte sie sie festzuhalten. Sie gehorchten ihr nicht, verschwanden.
    Da war wieder nichts als schwach sichtbar die Holzwand in dem spärlichen Dämmerlicht, das durch die Spalten in der Decke des Verschlags hereinsickerte, und zwischen diesen Spalten die schmalen Ausblicke auf den Dachstuhl des Speichers. Die Seitenwände des Verschlags waren fugenlos aneinandergefügt und auch die aus einem einzigen Eichenbrett gefertigte starke Tür erlaubte keine Durchsicht.
    Naki wiegte ihren Oberkörper vor und zurück, schlug bei jedem Rückneigen mit dem Hinterkopf an die Wand.
    Manchmal half der dumpfe Schmerz, den das verursachte.
    Nicht denken müssen. Und nicht sich erinnern.
    Das Dorf brennt. Schreie gellen in ihren Ohren.
    Sie rennt.
    Eine Männerhand packt sie an der Schulter, reißt sie herum. Sie stürzt.
    Ein bärtiges Gesicht über ihr, gekrönt von einem furchtbaren Wolfshaupt.
    Eine Faust trifft sie am Kinn. Sie spürt keinen Schmerz. Ich werde sterben.
    Der Wolfskrieger zerreißt ihr Kleid, schlägt

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