Die Göttin im Stein
ausbreitet – Naki, wie sie ihm kniend die Schuhriemen löst, eine Flut heller Haare auf ihrem gebeugten Nacken – Naki, wie sie langsam ihren Kittel öffnet, ihre sanft gerundete Schulter und diese kleine Kuhle am Ansatz ihres Halses entblößt und wie ihm plötzliche Ergriffenheit vor so viel Vollkommenheit die Kehle zuschnürt – Naki, wie sie in seinem Gesicht forscht und sich bemüht, seine Worte zu verstehen, wie sie eine stockende Antwort versucht – Naki, wie er sie lobt und über ihr Gesicht streicht und wie sie zaghaft lächelt und ihre Wange in seine Hand drückt – Naki, wie sie vor ihm kniet und ihm ihr festes Hinterteil hinstreckt, bereit, ihn aufzunehmen –
Was würde Moria empfinden, wenn sie hierherkam und Naki sah?
Er gab einen unwilligen Laut von sich: Moria hatte kein Recht, sich über eine Nebenfrau zu beklagen. Eine Hausfrau und eine Nebenfrau – das waren zwei Sachen, die nichts miteinander zu tun hatten.
Und er selbst?
Er könnte nicht mehr jede Nacht mit Naki verbringen. Vielleicht war das gut so. Sie hatte eine Bedeutung in seinem Leben, die einer Nebenfrau nicht zukam.
Es wurde Zeit, daß er seinen Kopf frei bekam von ihr und seine Aufmerksamkeit stärker auf seine Aufgaben richtete. Nebenfrau – Nebensache!
Er nahm seine Streitaxt von der Wand und befestigte sie an seinem Gürtel. Seit dem Tod seines Vaters hatte er die Axt nicht mehr getragen.
Der Vater starrte an ihm vorbei, starrte auf Naki. Abgründe taten sich auf in seinem Blick. Sein Gesicht gerann
zu
einer Maske des Grauens. Er griff sich an den Hals, an die Brust, krümmte sich zusammen...
Lykos stierte auf die Bank, von welcher der Vater im Todeskampf gefallen war. Er runzelte die Stirn. Warum war der Vater mit allen Anzeichen des Entsetzens gestorben, als er Naki gesehen hatte?
Nun gut, er mochte gewähnt haben, Kugeni zu sehen. Daß ihm das einen Schlag versetzen würde, war zu erwarten gewesen, doch was hatte ihn daran zu Tode erschreckt? Von so weibischer Schwäche war doch ein Herr der Söhne des Himmels nicht, daß er bei der Begegnung mit einer Wiedergängerin sein Leben aushauchte!
Es mußte sich mehr dahinter verbergen. Und es mußte mit Kugeni in Zusammenhang stehen.
Wie hatte er diese Sache so lange ungeklärt lassen können! Er mußte wissen, was damals geschehen war.
Entschlossen rief er nach Noedia.
Sie kam und beugte den Kopf vor ihm.
Kalt sah er sie an. Er hatte sie gedemütigt und zu seiner ohnmächtigen Feindin gemacht. Aber jetzt brauchte er sie.
Er durfte sich keine Blöße vor ihr geben.
»Noedia«, sagte er und legte absichtsvoll einen herrischen Ton in seine Stimme, »nach dem Tod meines Vaters hast du hemmungslose Anklagen gegen meine Nebenfrau ausgestoßen. Ich habe das hingenommen, weil ich dir deinen Schmerz um meinen Vater zugute gehalten habe. Aber ich will diese Sache bereinigt haben, ehe deine Herrin hier eintrifft. Ich verlange, daß du mir jetzt Rede und Antwort stehst.«
»Wie Ihr wünscht, Herr«, erwiderte Noedia mit erkennbarer Mühe.
»Also rede! Sprich frei heraus! Warum diese Anschuldigungen gegen Naki? Und warum deine Furcht, als du sie sahst?«
»Ich bereue, was ich damals gesagt habe. Im ersten Augenblick hat manches anders ausgesehen als jetzt.«
»Ich erwarte keine Entschuldigung, sondern eine Antwort! Hast du verstanden?«
»Ja, Herr. Aber – es ist nicht mit wenigen Sätzen gesagt.« »Dann erzähle eins nach dem anderen!«
Noedia trat unruhig von einem Fuß auf den anderen. Ihre Augen irrten zur Seite. Erst unter seinem strengen Blick begann sie zu sprechen: »Es ist so, Ihr wart damals noch sehr jung, aber Ihr werdet Euch erinnern, Euer Vater hatte eine Nebenfrau vom Alten Volk, Kugeni hieß sie, vielleicht ist Euch nicht aufgefallen, wie sehr Naki ihr ähnlich sieht, und damals, als ich sie sah, ich fürchtete, sie sei zurückgekehrt ...« Noedia verstummte.
»Fürchtete?« fragte er.
Noedia schwieg.
»Was war mit Kugeni?« fragte er scharf.
»Sie ist schon lange tot«, erwiderte Noedia widerstrebend.
»Und als du Naki gesehen hast ...«, forderte er sie zum Weitersprechen auf.
»... habe ich gedacht, es sei Kugeni«, flüsterte Noedia.
»Gedacht?« wiederholte er gereizt, fuhr immer schärfer fort: »Eben sagtest du, du hättest es gefürchtet! Warum?« Nun schrie er sie an: »Warum hast du dich vor dieser Kugeni gefürchtet?!«
Noedia schlug die Hände vors Gesicht und brach in Tränen aus.
So würde er sie nie zum Reden bringen.
Er nahm
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