Die goldene Barke
mir befohlen, Sie zu seinem Palast zu begleiten«, sagte der Soldat.
Tallow und Miranda verließen das Boot und folgten dem Soldaten durch das Gedränge der Bevölkerung von Rimsho. Tallow gefielen die Gesichter der Leute nicht. Ihr Grinsen war zu gezwungen. Hartes Lächeln und ungemütliches Lachen. Die Augen waren verwirrt und glasig. Sie waren zu lange von Natcho unterdrückt worden, um noch zu wissen, wie man richtig fröhlich sein konnte. Sie wußten, daß Freude und Spiel nicht lange währen würden. Das Fest war eine Atempause, keine Befreiung. Hinter ihnen lagen Verzweiflung und Finsternis, vor ihnen wieder Unterdrückung und Furcht. Die meisten von ihnen hatten zuviel getrunken, viele waren kurz vor dem Zusammenbrechen, aber sie tranken weiter, wagten nicht aufzuhören. Diese Leute waren bedauernswert, aber Tallow hatte nur Verachtung für sie übrig.
Er fühlte sich unbehaglich und wie betäubt. Sein Gehirn war von den Ereignissen der jüngsten Vergangenheit kaum berührt. Er erkannte nur vage, was er fühlte, und Mirandas Gegenwart wollte er nicht wahrhaben. Sie war neben ihm, und er wußte, daß er nicht träumte, dennoch konnte er sich ihr nicht nähern, es fiel ihm nichts ein, was er hätte sagen können. Er wünschte, er befände sich irgendwo anders, nur nicht hier in Rimsho mit Miranda an seiner Seite. Bald liefen sie durch ruhigere Straßen, vor ihnen ragte ein großes, finsteres Gebäude auf, das von breiten Wohnhäusern flankiert wurde. Oben auf dem großen Bau wehte eine Fahne, die Tallow als diejenige erkannte, welche ihm Zhist beschrieben hatte. Sie war grün und mit einem schwarzen Falken geschmückt. Natchos Fahne. Sie erreichten das Ende der Straße, schritten durch ein bewachtes Tor und betraten eine lange, breite Steintreppe. Der riesige Eingang war schwarz und abweisend. Sie gingen hindurch, und Miranda und Tallow wurden mitten in einem gewaltigen Korridor stehengelassen, während der Soldat einem Wächter einige Papiere vorwies und einige Minuten mit ihm sprach. Der Soldat kehrte zu ihnen zurück und gab ihnen ein Zeichen, ihm weiter den Korridor entlang zu folgen. Am Ende des Korridors stand ein zweiter Wächter, und der Soldat wies noch einmal seine Papiere vor und besprach sich flüsternd mit ihm. Der Wächter öffnete die Metallflügel einer großen Tür und sagte laut: »Gefreiter Blight und Begleiter.«
Eine schroffe Stimme, die von einem schwachen Echo etwas gemildert wurde, sagte: »Herein!«
Der Soldat führte Tallow und Miranda in einen großen, schmucklosen Saal, in einen nackten Saal, der nur mit einem riesigen Schreibtisch am anderen Ende ausgestattet war. Am Schreibtisch saß ein großer Mann, der älter als auf den Plakaten aussah, welche die Stadt schmückten, der aber offensichtlich Präsident Natcho war. Er hatte kleine Augen, und die Oberlippe ragte über die Unterlippe vor. Der Schnurrbart war grau und militärisch kurz geschnitten. Das Kinn sollte mit Hilfe von grauem, struppigem Haar stärker ausgebildet aussehen, und der Bart sollte auch das Doppelkinn verbergen, aber eigentlich wurden so nur Alter und Schwäche deutlicher sichtbar. Natcho trug eine schlichte braune Armeeuniform und auf dem Kopf eine Mütze. Die rechte Brusttasche seiner Uniformjacke war mit einigen Orden verziert. Er hatte die Hände vor sich gefaltet und starrte mit finsterem Blick seinen Besuchern entgegen. »Sie können jetzt gehen, Blight«, sagte er.
Blight schlug die Hacken zusammen, wirbelte rasch herum, verließ den Saal und machte die Metalltür hinter sich zu. »Ist das das Mädchen?« fragte Natcho zerstreut und betrachtete Miranda mit leidenschaftsloser Bewunderung, bei der ihr fast übel geworden wäre. »Ja, Euer Exzellenz.« »Wieviel?«
»Dreißig Goldstücke«, erklärte Tallow, der sich an den Betrag erinnerte, den Zhist ihm genannt hatte.
»Schön. Ich gebe Ihnen eine Notiz an meinen Sekretär mit. Er wird Ihnen das Geld auszahlen. Ist das Mädchen sauber?« »Ja, Euer Exzellenz.«
»Das ist auch besser so«, knurrte Natcho. Auf seinem Schreibtisch standen Branntwein und ein großes Glas. Er goß sich ein und trank, verzog das Gesicht, drückte die linke Hand gegen den Magen. In seinen Augen zeigte sich Schmerz, als er Tallow mit einer Geste zum Gehen aufforderte. »Die Notiz, Euer Exzellenz?«
Wut stieg plötzlich in die Augen, und Tallow bereute es, in so drängendem Ton gesprochen zu haben. Dann verschwand der böse Ausdruck im Gesicht des Präsidenten. Natcho
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