Die goldene Barke
immer hell aus schlammbespritzten, bärtigen Gesichtern, und ihre zerlumpten Uniformen wurden von Lederstreifen zusammengehalten, an denen Waffen und Munition hingen. Sie kämpften zum größten Teil aus Verzweiflung. Anfangs hatten sie politische Gespräche geführt, hohe idealistische Reden geschwungen. Jetzt kämpften sie um ihr Leben, für ihre Familien, kämpften aber auch schon aus Gewohnheit. Sie krochen so lange auf ihren Bäuchen durch den Wald, bis ihnen das Kriechen, der Finger am Abzug, das Flüstern, das leise, vorsichtige Auftreten zur zweiten Natur geworden war. Und zur zweiten Natur war ihnen auch der Haß geworden. Sie haßten auch schon aus Gewohnheit, obwohl noch immer wirklicher Grund zum Hassen bestand, da Natcho sie vertrieben und ihre Träume zerstört hatte. Man konnte den Männern viel zerstören – Würde, Liebe, Treue, selbst ihre Seelen –, und sie fanden sich damit ab. Aber es war gefährlich, Träume platzen zu lassen. Die Männer meinten, daß Natcho das bald merken würde. In Gesprächen mit Zhist erfuhr Tallow, daß die Gemeinschaft, über die Natcho herrschte, eine Nation von sechs Millionen Menschen war. Benachbart war eine Monarchie, die größer war, aber über weniger Industrie verfügte. Sie war zum größten Teil ländlich, unterstand Freiherren und Herzögen, die ihrerseits einem König unterstanden, einem dumpfen, törichten Menschen, den seine Minister beherrschten. Die Minister, die Freiherren und Herzöge lechzten alle nach den Industrien des Nachbarstaates. Zwischen den beiden Ländern hatte es deshalb im Laufe der Jahrhunderte häufig schon Krieg gegeben.
Natcho hatte im Augenblick Sorgen. Der feindliche König,
von seinen Ministern angestachelt, beschimpfte und bedrohte Natchos Land und erklärte, daß Natcho nichts von Herrschaft verstünde und er sich eines Tages für berechtigt halten würde, wieder einen Monarchen auf den verwaisten Thron zu setzen. Er äußerte sich nicht, welchen Monarchen er meinte. Krieg hing in der Luft, und Natcho mußte viel Zeit damit verbringen, mit Gesandten zu verhandeln. Seine Position wurde auch auf diese Weise geschwächt.
Zhist war sich darüber im klaren, daß er und seine Gefolgsleute, auch wenn sie Erfolg hatten und Natcho stürzten, sich vor einem Angriff vorsehen mußten.
Der Tag kam, an dem alle Revolutionäre an einen Platz beordert wurden, in Zhists Lager, in dem Tallow untergebracht war. Zhist suchte Tallow auf und bat ihn, ihm in sein Quartier zu folgen.
Wieder bot Zhist dem kleinen Mann Tabak an, und Tallow bediente sich. Tallow fühlte sich nicht wohl im Lager. Es war ihm unmöglich gewesen, mit seinen drei Kameraden Freundschaft zu schließen. Sie hatten ständig Bemerkungen über seinen Zwergenwuchs und seine Ungeschicklichkeit gemacht. Zhists Bitte war ihm eine Erleichterung, und zum ersten Mal, seit er in das Lager gekommen war, gelang es ihm, sich ein wenig zu entspannen.
»Ich langweile mich, Oberst«, sagte Tallow. »Gibt es jetzt nicht endlich etwas für mich zu tun?«
»Ja«, versetzte Zhist, »es gibt etwas zu tun. Ich möchte, daß Sie mich flußabwärts fahren, zu einer Stelle, die ungefähr eine Meile von der Hauptstadt entfernt ist. Ich habe dort Späher und Spione, die mir die neuesten Meldungen über Natchos Bewegungen bringen. Machen Sie Ihr Boot fertig. Wir fahren in einer Viertelstunde.«
Tallow stand rasch auf. »Sie können sich auf mich verlassen«, versicherte er froh, als er aus der Hütte zum Fluß eilte. Sie fuhren sicher den Fluß hinab, kamen ohne Zwischenfälle an. Am Ufer stießen sie auf einen Trupp Soldaten, unter ihnen Niko, der ihnen rasch an Land half.
»In der Stadt veranstalten sie ein Volksfest«, berichtete Niko mit leuchtenden Augen. »Alles prangt in roten, blauen und gelben Farben, und es gibt Karusselle und Schaubuden. Das erste Volksfest, das ich seit meiner Kindheit wieder erlebt habe.«
»Ein Volksfest in Rimsho? Was hat Natcho vor?«
»Ich würde sagen, er sieht Schwierigkeiten kommen und veranstaltet das Volksfest, um die Leute abzulenken. Die ganze Stadt ist auf den Beinen, alle eilen zum Festplatz. Die Schaubuden stehen am Stadtrand auf der großen Wiese, wo wir früher Sport trieben.«
»Ich kenne sie«, sagte Zhist. »Das ist die Gelegenheit für uns. Viele von uns können sich unter die Leute mischen und so leicht in die Stadt einsickern. Es sind Fremde in der Stadt, Zigeuner, und bärtige Gesichter dürften deshalb nicht weiter auffallen.«
»Sie glauben,
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