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Die goldene Barke

Die goldene Barke

Titel: Die goldene Barke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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öffnete eine Schublade, entnahm ihr Papier und Federhalter, kritzelte etwas nieder, faltete den Bogen zusammen und reichte ihn Tallow, der einen seltsamen Blick auf Miranda warf, rasch an ihr vorbeiging und den Saal verließ.
    Draußen fragte er den Posten: »Wo finde ich den Sekretär
    des Präsidenten?«
    »Oben«, antwortete der Posten. »Die erste Tür rechts.«
    Tallow stieg die Treppe hinauf, die ihm der Wächter gezeigt hatte, und suchte die Tür. Er klopfte an. Eine gelangweilte und träge Stimme sagte: »Herein!«
    Tallow betrat den Raum. Dieser war viel kleiner als der Saal, den er soeben verlassen hatte, aber fast ebenso kahl eingerichtet. Bis auf einen Aktenschrank, der neben einem Fenster stand, einen Schreibtisch und einen Stuhl war nichts weiter an Möbeln zu sehen. Das Fenster ging auf einen Hof hinaus. Ein eleganter junger Mann mit mildem Gesicht saß auf einer Ecke des Schreibtisches und zündete sich gerade eine lange Pfeife an. Er zog die Augenbrauen in die Höhe, als er Tallow sah, und blickte den kleinen Mann übertrieben amüsiert an. »Was kann ich für Sie tun, Sir?« fragte er in hinterlistigem Ton.
    »Sind Sie der Sekretär des Präsidenten?« Tallow wurde es
immer unbehaglicher.
»Der bin ich.«
    »Ich habe eine Mitteilung für Sie.« Der träge Sekretär streckte die Hand aus, und Tallow schob ihm den Brief zwischen die Finger.
    Der Sekretär legte die Pfeife vorsichtig in einen schmalen, länglichen Aschenbecher, staubte seine makellose Uniform mit zarter Hand ab und faltete die Notiz auseinander. Er sah sie sich einige Augenblicke an, faltete sie wieder zusammen, legte sie auf seinen Schreibtisch und stellte einen gewichtigen goldenen Briefbeschwerer darauf.
    »Ist gut«, sagte er rätselhaft und sah Tallow nachlässig von oben bis unten an. »Warten Sie doch bitte hier.«
    »Ja«, nickte Tallow und verschränkte die Finger, während Furcht in ihm aufstieg. Lange mußte er nicht warten. Der Sekretär kehrte bald mit zwei stämmigen Posten zurück. Er zeigte auf Tallow. »Führt ihn in den Gefängnisflügel!« befahl er.
    »Haltet ihn dort bis auf weiteres fest!«
    Tallow wurde von panischer Angst erfaßt. »Was habe ich getan?« rief er und versuchte, sich aus dem Griff der Wächter zu befreien. »Weshalb verhaften Sie mich?«
    »Befehl des Präsidenten, mein Lieber«, lächelte der Sekretär traurig. »Das steht in der Notiz, daß man Sie verhaften soll.« »Aber weshalb?«
    »Fragen Sie mich nicht«, antwortete der Sekretär neidisch, als wäre Tallow eine große Ehre zuteil geworden, nach der sich auch der Sekretär sehnte. »Sie werden es später schon herausbekommen.«
    Tallow wurde unsanft aus dem Raum gestoßen und dann durch lange Korridore geführt, bis sie auf einen Flur stießen, der von vergitterten Türen gesäumt war. Eine derselben wurde geöffnet, und man stieß ihn in eine Betonzelle, die fensterlos war. Die Zelle wurde von einer Glühbirne erhellt. Der Raum war ohne jeden Schatten. An einer Wand der Zelle stand eine schmale Holzbank.
    Tallow wurde also zum zweitenmal eingesperrt. Diesmal aber ließen ihn seine Kerkermeister nicht im unklaren über seinen Zustand.
    Eine Stunde später tauchte Miranda in seiner Zelle auf. Der
Wärter, der sie hereinstieß, hustete und sagte etwas Unver
ständliches.
»Was ist passiert?« fragte Tallow sie.
    »Natcho wußte etwas von unserem Plan«, erwiderte sie geistesabwesend und starrte die Wand an. »Er wußte zumindest, daß du in Zhists Diensten stehst. Offenbar hatte er zu der Zeit, als du zu den Rebellen gestoßen bist, einen Spion im Lager. Der Mann konnte aber offenbar nur wenig erfahren. Es reichte freilich hin, um Natcho über dein Aussehen und die Umstände zu unterrichten, die zu deinem Zusammengehen mit Zhist führten. Er hat vor, uns foltern zu lassen, um mehr über Zhists Pläne in Erfahrung zu bringen.«
    »Ich hatte das Gefühl, daß etwas nicht stimmt«, sagte Tallow niedergeschlagen. »Ich konnte nicht sagen, was, aber ich witterte Gefahr. Hat Natcho irgendeine Ahnung, wann die Revolution beginnt?«
    »Nein, und er rechnet nicht so bald damit. Vielleicht haben wir noch eine Chance. Vielleicht befreit man uns, bevor sie zu foltern beginnen.«
    »Hoffentlich«, sagte Tallow inbrünstig. »Ich bezweifle das allerdings. Ich habe gewöhnlich nicht viel Glück.«
    »Stimmt.« Miranda dachte nach. »Du bist wirklich nicht vom Glück begünstigt. Dich umgibt irgendein Verhängnis, Jephraim, und ich kann nicht sagen,

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