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Die goldene Barke

Die goldene Barke

Titel: Die goldene Barke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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stehen, sammelten sich und starrten ihn an; ein oder zwei Erwachsene warfen ihm im Vorübergehen einen Blick zu, doch näherte sich ihm niemand. Die Ansammlung von Gebäuden folgte offensichtlich keiner Ordnung, und die Straßen, die es gab, waren anscheinend kaum mehr als Fahrspuren, die sich an den Häusern vorbeischlängelten.
    Tallow versuchte als erstes, mit den Kindern zu reden, aber sie lachten ihn nur aus und rannten fort, verschwanden hinter ebenerdigen Hütten, die dem Ufer am nächsten waren. Die Erwachsenen schienen ihn entweder nicht zu hören und nicht zu sehen, oder, was wahrscheinlicher war, sie übersahen ab
    sichtlich seine Anwesenheit.
    Schließlich blieb doch ein alter Mann zögernd stehen, als sich Tallow vor ihm aufpflanzte und ihm die Frage ins Ohr bellte: »Haben Sie hier ein Boot vorbeikommen sehen?« Die Frage hatte anscheinend eine unerwartet große Wirkung auf den alten Mann. Er sah verblüfft und verwirrt aus. »Kann schon sein«, sagte er endlich vorsichtig.
    »Was soll das heißen, kann schon sein? Das Boot ist golden und folgt geradlinig seinem Kurs, weicht nie von ihm ab, macht in keinem Hafen fest. Haben Sie so ein Schiff gesehen?« »Kann schon sein. Und jetzt muß ich gehen.« Der alte Mann drängte sich an Tallow vorbei und ging weiter, aber Tallow lief neben ihm her und wiederholte erzürnt seine Fragen.
    »Ich muß es wissen. Welche Richtung hat es eingeschlagen?«
    »Ich erinnere mich nicht. Es ist mehr als zwei Jahre her, seit ich sie sah, und davor waren es dreißig Jahre. Ich habe das verfluchte Schiff zweimal gesehen und möchte es nicht noch einmal sehen.« »Welchen Weg hat es eingeschlagen?«
    »Das hab’ ich nie gesehen, und das ist die Wahrheit. Ich bin ihr vor dreißig Jahren bis hierher gefolgt, und dann verlor ich sie. Das macht mir wirklich Angst. Fragen Sie den alten Roothen. Er wird Ihnen von dieser Barke erzählen. Ich weiß, daß sie ein Geisterschiff ist.«
    Tallow machte keinen Versuch, den Alten aufzuhalten, als er weiterstapfte. Der alte Roothen. Was hat diese Anspielung zu bedeuten, fragte er sich.
    Er stolperte zwischen den Häusern weiter und hatte keine Ahnung, wohin er ging. Bis zur Dämmerung war er fast eine Meile ins Land hineingelaufen und erreichte einen Platz, der von Fackeln erhellt wurde. Der ziemlich große Platz war frei von Gebäuden, und auf ihm hatte sich eine Reihe von Leuten versammelt. Männer, Frauen und Kinder saßen auf dem Boden oder standen in Gruppen beisammen und unterhielten sich. Die Frauen kochten an Feuern, und die Männer hielten Teller mit Essen in den Händen oder Holzbecher mit Getränken. Man schien sich zu einer Art Fest versammelt zu haben, denn die Leute lachten glücklich und hatten Spaß. Tallow trat zu einer der Gruppen.
    Er klopfte einem Mann auf die Schulter. Der Mann drehte sich um. Er hatte weißes Haar und war jung und besaß ein schmächtiges Rattengesicht. Er sagte: »Was wollen Sie?« Tallow fragte ihn: »Haben Sie oder einer Ihrer Freunde in letzter Zeit eine goldene Barke vorbeifahren sehen?« Der Mann rülpste Tallow ins Gesicht und wandte sich wieder seinen Gefährten zu. Er lachte boshaft. »Dieser Fremde fragt nach dem Narrenschiff.«
    Die Männer lachten spöttisch, nervös und sahen Tallow an, der unsicher dastand und sie alle nicht leiden konnte. Einer von ihnen grinste verschlagen. »Der alte Roothen wird dir von dem Schiff erzählen, Maat. Er erzählt uns seit vierzig Jahren, was wir schon wissen, und hätte gern neue Zuhörer. Wir sind wie er dem verdammten Ding gefolgt, aber er sagt, sein Fall liege anders. Ich nehme an, du bist gekommen, um uns zu sagen, daß wir dem Schiff mit dir zusammen folgen sollen. Wenn du deshalb hier bist, such dir lieber Roothen. Wir haben jetzt Familien, an die wir denken müssen. Wenn Roothen nicht zu betrunken ist, wirst du eine gute Geschichte von ihm zu hören bekommen. Er wird dir alles erzählen.« »Wo ist er zu finden?« »Folge deiner Nase. Du wirst ihn riechen.« »Du weißt es nicht?«
    »Nein, es ist mir auch gleich. Wenn deine Geschichte so wie seine ist, tust du mir leid. Aber uns brauchst du sie nicht zu erzählen.«
    »Habe ich auch gar nicht vor«, versetzte Tallow und ging.
    Er versuchte sich anderen Gruppen zu nähern und erhielt zy
    nische Antworten. Bald war er wider Willen der Hauptanzie
hungspunkt, und die meisten der etwa hundert Leute der Ver
sammlung starrten ihn an.
»Wer ist der kleine Mann?«
    »Ein Verrückter. Er will sagen, daß es

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