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Die goldene Barke

Die goldene Barke

Titel: Die goldene Barke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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Tallow noch sprach, regten sich bereits die Zweifel in ihm, aber er kämpfte sie nieder.
    »Quälen Sie mich nicht, junger Mann. Nehmen Sie mich mit. Ich werde meine Arbeit tun, und gemeinsam werden wir das Wissen erkennen. Ich hatte eine Frau, eine Familie, Geld. Ich habe alles aufs Spiel gesetzt, um der Barke zu folgen, und jetzt sitze ich hier fest. Sie haben doch Mitleid mit mir, da ich wie Sie bin.« »Nein, das sind Sie nicht.«
    »Ich bin es, mein Junge, ich bin es. Es gibt nicht viele, welche die Barke gesehen haben, und noch weniger, die den Mut haben, ihr zu folgen. Wir hatten den Mut .«
    »Wißbegierde«, sagte Tallow. »Am Anfang war es Wißbegierde und kein Mut. Und unser Blick ist verdächtig. Warum sollte unser Weg der beste und der einzige sein? Welche Geheimnisse haben wir hinter uns gelassen? Ein Mensch kann seine ›Wahrheiten‹ auf vielen Pfaden entdecken. Das habe ich herausgefunden. Ich habe es aber zu spät herausgefunden, deshalb bleibt mir nur noch ein Weg, ein einsamer Weg. Wenn ich an den meisten Plätzen, wo ich war, geblieben wäre, hätte ich gefunden, was ich suchte. Ich glaube, deshalb führt uns die Barke weiter, jedenfalls die meisten von uns. Sie führt uns nur eine kurze Strecke weit, um uns etwas zu zeigen. Aber wir begreifen das nicht, bis es zu spät für eine Änderung ist. Schließlich bleibt nichts zu tun, als der Barke bis ans Ende zu folgen und zu hoffen, daß es zu einer Erklärung führt, warum man ihr folgt. Warum sind Sie der Barke gefolgt? Weshalb ich? Vielleicht haben die, die sich hier niederließen, schließlich recht.«
    »Wir folgten der Barke, weil wir wußten, daß sie die Wahrheit besaß. Das war die einzige Möglichkeit.«
    Tallow blickte zum dunklen Himmel und zu den kleinen Sternen empor. Er sagte zurückhaltend: »Waren Sie so selbstsüchtig wie ich?«
    »Nein, selbstsüchtig nicht. Ich … ich wußte einfach, daß mir ein größeres Schicksal winkte, wenn ich ihr folgte. Das wußte ich, mein Junge. Das wußte ich.« Die Füße des alten Mannes scharrten über die Bretter. »Ich dachte auch einmal so.«
    »Aber es stimmt. Denken Sie nicht, daß dem nicht so ist. Es stimmt.«
    »Vielleicht. Mehr ist uns nicht geblieben.« Tallows Ekel und Zorn hatten sich gelegt, und er nahm die Anwesenheit des anderen Mannes kaum noch wahr. Es war, als führe er wieder, wie so oft in der jüngsten Vergangenheit, ein Selbstgespräch. »Ich muß es darauf ankommen lassen, oder ich beende meine Tage wie Sie und kämpfe mit der Flasche gegen den Wahnsinn an.«
    »Das ist grausam, einem alten Mann so etwas zu sagen, Jun
ge.« – »Es ist die Wahrheit.«
»Na und?«
    »Macht es Ihnen nichts aus, ein betrunkener alter Kindskopf zu sein, Sie, der Sie das Geheimnis des Lebens selbst hätten entdecken können?«
    »Ja, es macht mir etwas aus, wenn ich es mir so überlege.«
    »Dann sollte Ihnen diese Wahrheit etwas ausmachen.«
    »Das sollte sie wohl. Nur weiter, mein Junge. Fahren Sie ohne mich. Mir ist es gleich. Wahrscheinlich liefern Sie sich nur selbst dem Tod aus. Ich lebe wenigstens. Woher wissen wir, daß die Barke keine Illusion ist? Wenn das Licht auf dem Wasser liegt, kann es einen schön zum Narren halten. Vielleicht ist es die Verrücktheit der Seeleute, wie diese Leute mir sagen. Warum nicht? Viele Leute müssen es besser wissen als einer allein.«
    »Glauben Sie das?« fragte Tallow, der sich nicht sicher war,
was er glauben sollte.
»Weiß ich nicht.«
    »Dann verderben Sie hier in Ihrer Ungewißheit. Sie könnten wissen, ob Sie Ihr Leben gänzlich vergeudet haben oder nicht, wenn Sie der Barke bis zum Meer folgen. Vielleicht finden Sie eine Art von Erklärung.«
    »Genau, das könnte ich vielleicht. Warum nehmen Sie mich also nicht mit?«
    »Wir haben zuviel zerstört, Sie und ich. Ich fürchte, wir wer
den uns gegenseitig vernichten.«
»Wie denn? Wir werden uns gegenseitig helfen.«
»Wirklich?«
    »Selbstverständlich. Schauen Sie, wir sind beide hinter derselben Sache her. Einer von uns könnte segeln und der andere schlafen. So könnten wir endlos weiterfahren.«
    »Es ist sinnlos, Roothen. Völlig sinnlos. Ich gehe. Und versuchen Sie nicht, mich aufzuhalten. Ich hab’ zu viele Leute umgebracht, um mir groß Gedanken zu machen, daß ich an Ihrem Tod schuld sein könnte. Sie sind auf jeden Fall schon so gut wie tot.« »Du Dreckskerl!«
    Tallow begann, die Strickleiter hinabzuklettern. Oben versuchten zittrige Hände, die Leiter zu schütteln, aber der alte

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