Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die goldene Königin

Die goldene Königin

Titel: Die goldene Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyne Godard
Vom Netzwerk:
Begleiter mit dem weißen Fell, zog mit wehender Mähne neben einem anderen Pferd namens Brutus ihren eigenen Wagen. Das andere Tier war ein hübscher rotbrauner Fuchs mit schwarzer Mähne, der Maître Leonardo da Vinci gehörte. Der Stall, den der alte Maler mit nach Frankreich gebracht hatte, nahm sich neben denen der Edelmänner im Val de Loire sehr mager aus.
    Sein kleiner Zoo bestand aus vier Katzen, einem Windhund, zwei braven grauen Maultieren, drei Pferden, von denen Brutus sicher das kräftigste war, sowie einigen Raubvögeln, denen er gern beim Fliegen zusah, weil sie ihn zu seinen seltsamen Flugmaschinen inspirierten.
    Um Mathilde bei ihrer Reise zu helfen, hatte Leonardo da Vinci nicht gezögert, sich von dem feurigen Brutus zu trennen, der ebenso mutig wie kühn war. Baptista hatte versprochen, gut auf ihn zu achten und ihn heil wieder zurückzubringen.
    Baptista de Villusis, Freund und ergebener Diener des Malers, hatte den Auftrag, auf Mathilde aufzupassen, und profitierte von dieser Reise, da er in Florenz eine Familienangelegenheit regeln konnte. Er war ein alter, hagerer, zäher Mann, den noch keine Krankheit heimgesucht hatte. Er war ungefähr im Alter von da Vinci, besaß einen sehr eigenen Charakter, war ziemlich autoritär, klein, mager, aber wach und lebendig, mit aschfahler Haut und dunklen Augen.
    Baptista begleitete Leonardo da Vinci seit seiner frühesten Kindheit und kannte jedes Detail seiner Künstlerkarriere. Nichts entging seinem wachsamen Blick. Er entstammte einer adligen, halb ruinierten Familie und fühlte sich wohl in Gesellschaft seines Freundes, für den er seit mehr als fünfzig Jahren nur für Kost und Logis Verwaltungsaufgaben erledigte.
    Baptista schien Mathilde vom ersten Tag an unter seine schützenden Flügel genommen zu haben. Er sprach wenig, warf jedoch häufig einen wachsamen Blick auf sie. Da Vinci hatte ihn zwar beauftragt, gut auf das junge Mädchen aufzupassen, doch er schien ihr seine Reiseerfahrungen und seine treue Freundschaft aus freien Stücken anzubieten. Mathilde arrangierte sich gut mit seiner Überwachung und schenkte ihm hin und wieder ein gewinnendes, aber kein herausforderndes Lächeln.
    Bei Francesco Melzi, dem Schüler des alten da Vinci, lagen die Dinge etwas anders. Der junge Maler verdankte ihm sein gesamtes Wissen. Er war mit großem künstlerischem Talent gesegnet. Der Meister lobte seine Begabung, und er bewunderte den Meister.
    Doch was Mathilde anging, besaß Francesco Melzi nichts von dem verführerischen Charme oder der Begeisterung des jungen Giulio Romano. Romano hatte sie zu verführen gewusst und war dennoch Kavalier geblieben. Melzi sprach mit ihr wie ein Schulmeister und gab seinen Modellen unumwunden zu verstehen, dass sie nichts als schöne Objekte waren, die vor allem der Entwicklung seiner wertvollen Inspiration dienten.
    Er war von kleiner Statur, und sein Gesicht hätte trotz gerader Nase, tadellosem Kinn und wohlgeformter Stirn sowie einem n icht zu schmalen und nicht zu breiten Mund irgendwie gewöh nlich gewirkt, wäre Francesco Melzi nicht stets so selbstgefällig aufgetreten. Zweifellos gefiel sein Gehabe den großen Edelmännern des Reiches, aber nicht so Mathilde.
    Das Schicksal war ihnen wohlgesinnt, seit sie an einem heißen Morgen in Clos-Lucé aufgebrochen waren. Denn Melzi, Mathilde gegenüber distanziert, bemühte sich eifrig um die junge Carlotta d’Alvergne, die es nicht versäumte, ihm Komplimente und schöne Augen zu machen, während sich der alte Baptista wohlwollend Mathilde gegenüber zeigte und entschlossen war, sie zu unterstützen.
    Aus moralischen Erwägungen hatte man gleich bei der Abfahrt entschieden, dass sich die Männer den einen Wagen teilten und die Frauen den anderen. So fand sich Mathilde mit Carlotta und Marie, der Frau von Lorenzo, dem einstigen Rechnungsführer von Alessandro van de Veere, in einer Kutsche wieder. Das Paar wollte aus persönlichen Gründen wieder in Florenz leben.
    Carlotta kannte Mathilde gut. Sie war eine der jüngeren Schwestern von Francesca und Mario d’Alvergne, italienischen Emigranten, die nach Frankreich gekommen waren, um die Ideen der Renaissance zu verbreiten. Beide arbeiteten in der Werkstatt von Alix, um im Val de Loire ihr berühmtes künstlerisches Talent weiterzugeben.
    Carlotta, die kaum sechzehn Lenze zählte, war ganz anders als

Weitere Kostenlose Bücher