Die goldene Königin
ihre älteren Geschwister. Das junge Mädchen, das kaum der Jugend entwachsen war, zeigte seinen schlanken Körper im Künstlermilieu, wo Maler und Bildhauer auf der Suche nach jungen, verführerischen Modellen waren.
Man merkte gleich, dass Melzi ihr gefiel. Bereits am ersten Tag verlor Carlotta etwas von ihrer Scham. Die darauffolgenden Tage taten das Ãbrige. Und kaum zwei oder drei Wochen später war Carlotta von ihrer lästigen Jungfräulichkeit befreit, durch die ihr bis dahin einige Affären entgangen waren.
In Dijon hielten Melzi und sie sich nicht mehr zurück. Der Maler malte sie in allen Varianten und in ziemlich aufreizenden Posen, über die Baptista seine faltigen Augen verzweifelt gen Himmel richtete.
Doch der alte Freund da Vincis hatte mehr als nur ein Mädchen halb bekleidet in verführerischen Posen gesehen, wenn eine Brust sich wie ein kleiner Vesuv erhob, dessen Spitze gleich Feuer zu spucken schien, während die andere vollständig im Verborgenen blieb. Wie viele Frauen hatte er mit ebenso geübtem Auge betrachtet wie sein Freund da Vinci, der Stift oder Pinsel hielt? Wie viele dralle weiÃe Schenkel hatte er zwanglos über ein Sofa gleiten sehen, während die FuÃspitze auf dem weichen Teppich Halt suchte?
Doch das war nicht der Rahmen, in dem sich Melzi und seine Muse bewegten. Carlotta musste sich mit dem schlichten Ambiente einer einfachen Kutsche zufriedengeben.
SchlieÃlich erreichten die Gespanne zügig und ohne Zwischenfälle Dijon.
In Lyon verlieÃen Lorenzo und Marie die Reisegesellschaft. Sie wollten einen Onkel der jungen Frau besuchen, bei dem sie hofften, vor ihrer Rückkehr nach Florenz einige Monate verweilen zu können.
Baptista, der gewissenhaft über seine Schutzbefohlene wachte, sorgte dafür, dass Mathilde ausreichend aà und in aller Ruhe in der Kutsche schlief, die sie nun mit Carlotta teilte. Doch da Francesco immer häufiger den Wagen seiner Muse aufsuchte, fand sich Mathilde meist zwischen Seufzern und Stöhnen wieder, was ihrem Schlaf nicht zuträglich war. Eines Abends nahm sie Bettdecke und Kopfkissen und schlief neben dem alten Mann.
Da der kleine Trupp nicht ohne Geld aufgebrochen war, entschied Baptista, einige Nächte in einem angesehenen Gasthaus zu verbringen, damit alle ausgeruht waren, wenn sie die Alpen überquerten. Der Weg bis an die Grenze des Piemonts erwies sich immer als etwas heikel.
Aber der wackere Baptista hatte nicht im Entferntesten damit gerechnet, dass Mathilde ohne böse Absicht oder Hintergedanken mit Fildor einige schöne Ausritte an den Zusammenfluss von Rhone und Saône unternehmen würde. Dort, auf den mit Stechginster bewachsenen Weiten, auf denen die Vögel aus einer anderen Welt zu stammen schienen, fühlte sie sich in gewisser Weise frei.
Sie ritt morgens los und kehrte erst bei Anbruch der Dunkelheit ins Gasthaus zurück. Sobald sie wieder da war, berichtete sie dem alten Mann von ihrem Ausritt und ihren Begegnungen.
Die unerwartete Wendung, die die Reise für Mathilde nahm, ereignete sich allerdings in direkter Nähe, an der Place Bellecour.
Um sich von ihrem langen Ausritt am Ufer der Saône zu erholen, näherte sich Fildor in ruhigem Trab dem groÃen, von Bäumen umstandenen, angenehm schattigen Platz. Mathilde atmete die abendlichen Gerüche ein und genoss den Duft der Akazien und Oleanderbüsche, der von den Terrassen herüberströmte. Mit dem Sonnenuntergang und der heraufziehenden Nacht erfüllte frischere, leichtere Luft die StraÃen und Gassen.
Plötzlich stieà Fildor direkt am Eingang von Bellecour gegen ein anderes Pferd. Es war ebenso weiÃ, stolz und feurig wie er und erschien ihm deshalb sogleich liebenswert. So beschrieb er mit seinem Bein einen eleganten Kreis, bevor er den Huf leise auf den Boden zurückstellte. Auf dem weiÃen Streitross saà aufrecht ein dicker Mann, der die Zügel locker in der Hand hielt.
Obwohl die Stadt unter der Hitze litt, trug der Mann einen dicken, kostbaren Ãberwurf. Er saà jedoch sicher im Sattel, und sein Körperumfang schien ihn nicht in seiner Bewegungsfreiheit einzuschränken.
Ãberrascht von dem plötzlichen Hindernis, das ihr Tier nicht erschreckte, sondern ihm sogar gefiel, betrachtete Mathilde den Mann eine Weile stumm. Während sie seine prachtvolle Kleidung musterte, zog sie leicht an den Zügeln, und Fildor blieb stehen. Dies
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