Die goldene Königin
Werk aus dem achten Jahrhundert nicht wahrhaft majestätisch? Da Vinci hatte seine Gioconda und sie ihre Quadriga . Dieser Gedanke gab ihr Kraft und Energie und ging ihr nicht mehr aus dem Kopf.
Während sie friedlich weiterritt, dachte sie an Valentine, und plötzlich empfand sie schreckliche Sehnsucht nach ihrer Schwester. Ob sie auch unter ihrer Trennung litt? Zweifellos! Unvorstellbar, dass ihre Zwillingsschwester keinen groÃen Kummer über ihre Abwesenheit empfand. Erneut bereute Mathilde ihr leichtsinniges, flatterhaftes, unüberlegtes, unsinniges Verhalten. Wem ähnelte sie bloÃ? Valentine war so ganz anders, brav, ruhig und aufmerksam, immer gemäÃigt in ihren Worten, ihren Gesten, ihren Vorstellungen. Und ihre Mutter? Gewiss, sie lieà sich häufig von groÃer Leidenschaft mitreiÃen, manchmal fast wahnhaft, aber es ging immer um positive, konkrete, ernsthafte Dinge. »Ihr groÃes Handwerk«, wie sie zu sagen pflegte. Während Louis die Ausgeglichenheit seines Vaters und die Intelligenz seiner Mutter geerbt hatte. Diese beiden Eigenschaften führten ihn zum Glauben.
Noch einmal dachte Mathilde an ihren Vater. Sie musste ihm ähneln, aber woher sollte sie das wissen? Diese unüberlegten Anwandlungen, diese Begeisterung, die sie in glücklose Situationen stürzte. Das Unbehagen, das sie jedes Mal erfasste, wenn sie sich zu lange an einem Ort oder mit denselben Menschen aufhielt. Sobald sie bei der Duchesse dâAlençon war, sehnte sie sich nach ihrer Mutter, und sobald sie sich wieder bei ihrer Familie befand, dachte sie nur daran, an den Hof zurückzukehren.
Wahrscheinlich war Alessandro van de Veere, der Geliebte ihrer Mutter, wie sie gewesen. Vier Monate lebte er des Handels wegen in Brügge, vier Monate seiner Söhne wegen in Florenz und den Rest der Zeit mit Alix in Tours. Ja! Ein solches Leben konnte Mathilde sich gut vorstellen.
Sie seufzte. Sie konnte sich zum groÃen Haus von Alessandro begeben, das in der Nähe des Palazzo Medici im Zentrum der Stadt lag. Vermutlich wohnten dort aber jetzt seine Söhne, die sie sicher hinauswerfen würden, sodass sie mit denselben Fragen zurückblieb. Die Rätsel, die ihr Vater ihr hinterlassen hatte, sollte sie erst viel später lösen. Ebenso wie das der vier Pferde der Quadriga .
In Marseille erschien ihr alles bunt, lebendig und laut. Aber der Aufruhr und der Trubel wirkten nicht friedlich, und Mathilde fühlte sich bedroht, ohne dass sie wusste, woher dieses Gefühl rührte.
In aller Ãffentlichkeit kam es zu Schlägereien. Ãberall in den schmalen, finsteren StraÃen und Gassen lauerten gefährliche Ecken, durch die ganze Stadt zogen sich verrufene Viertel, in denen rasch die Messer gezückt wurden.
Einige Stunden lief sie zu Fuà durch die Stadt und hielt Fildo r fest am Zügel, da das Reiten in vielen Gegenden schlicht unmöglich war. Dann zog sie es vor, das Zentrum zu verlassen und sich in Richtung Hafen zu begeben. Sie zögerte, dann sagte sie sich, dass sicher alle StraÃen dort hinführten. SchlieÃlich war es Fildor, der, etwas nervös von der herrschenden Unruhe, seinem Instinkt folgte und seine Herrin an den rechten Ort führte.
Ganz Marseille lebte vom Hafen. Es gab nicht eine StraÃe, in der es nicht intensiv nach Fisch roch. Der Geruch hing an den Türen, den Dächern und dem Pflaster. Er waberte durch die Luft und drang in jede Pore.
Die Schreie der Markthändler hallten durch die Stadt. In den besseren Vierteln verkaufte man jegliche Art von Fisch. Die Passanten wählten sie an den Ständen der Händler aus, die mit lauter Stimme verkündeten, was die Fischer im Morgengrauen gebracht hatten. Merlane, Rochen, Schollen, Seezungen, sogar Thunfisch. Je nach GröÃe des Geldbeutels ihrer Kunden schnitten sie die groÃen Teile in Scheiben oder Stücke.
In den Gässchen, die die Stadt durchzogen, fand man jede Menge geräucherten, eingelegten oder gegrillten Fisch, den die Menschen im Winter verspeisten, wenn der Fischfang nicht so ergiebig war.
Und aus den dunklen, von dreckigen, schwitzenden Mauern gesäumten Durchgängen drang der Gestank von verfaultem Fisch.
Marseille gefiel Mathilde nur wegen des Hafens. Dort fühlte sie sich wohl. Beim Anblick des munteren Treibens vergaà sie ihre beklemmenden Gefühle.
Sie saà auf einem Poller, an den sie Fildor gebunden hatte, und sah den
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