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Die goldene Königin

Die goldene Königin

Titel: Die goldene Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyne Godard
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falls es einer der Wachen in den Sinn kam, sie unsanft zurückzustoßen. Sie lächelte ihm zu und beobachtete zuversichtlich den Weg des Kapitäns. Die Menge bejubelte ihn wie einen Prinzen. Mit weißen Hosen und schwarzen Mützen bekleidet, versammelten sich die Hafenarbeiter und applaudierten ihrem Anführer. Denn Seigneur des Baux bestimmte, nach welchen Regeln sie ihre Arbeit verrichteten.
    Kaum war er auf Höhe von Mathilde angelangt, kam eine Wache auf sie zu und befahl ihr unmissverständlich zurückzuweichen. Der Hafenarbeiter schaltete sich ein und deutete mit dem Finger auf seine versammelten Kollegen am anderen Ende des Kais. Der Soldat verstand ihn nicht und drehte sich nach den Hafenarbeitern um.
    Â»Ich wollte zu meinen Kameraden«, sagte er, »aber es ist zu spät.«
    Â»Los, macht Platz, und lasst das Mädchen und das Pferd zurückweichen. Sie stören den Durchgang des Kapitäns.«
    Während dieses kurzen Zwischenfalls war Seigneur des Baux bei Mathilde angelangt, die nun seinem Blick begegnete. Die Wache stieß einen Fluch aus und versperrte dem jungen Mädchen und seinem Pferd mit dem Degen den Weg.
    Â»Lasst«, befahl der Kapitän im Vorbeigehen.
    Als er ihr zulächelte, wusste Mathilde nicht, ob er sie erkannt hatte. Er deutete eine Verbeugung an und begrüßte sie. Überrascht und entzückt von dem Gedanken, dass der Soldat innerlich toben musste, erwiderte sie den Gruß mit einem Kopfnicken, und man ließ sie ohne Weiteres passieren.
    Am Ende des Kais bildeten die Wachen ein Ehrenspalier, und die Herolde bliesen in ihre Hörner. Überall wehten Wimpel und Fahnen in leuchtenden Farben. Ein Schildknappe brachte dem Kapitän sein Pferd, und er stieg sogleich auf.
    Mathilde geriet in Aufruhr. Sie sprang auf Fildor und hörte ihren Freund, den Hafenarbeiter, rufen:
    Â»Er begibt sich zu seinem Domizil im Zentrum der Stadt. Folgt ihm.«
    Diesen Rat hätte sie nicht benötigt, aber sie bedankte sich mit einer großen Abschiedsgeste bei ihrem Kameraden.
    Sie folgten überfüllten Straßen mit Marktständen, beladenen Eseln, fliegenden Händlern, Tavernen, Gaststätten, geheimen Spielsalons und mehr oder weniger anrüchigen Bierkellern. Nach den zahlreichen Tavernen zu urteilen, die sich hier auf engstem Raum drängten, musste das Gewerbe des Gastwirts recht lukrativ sein!
    Mathilde strengte sich an, zu folgen und vor allem im Gefolge des Kapitäns zu bleiben. An jeder Wegbiegung gab es eine Schlägerei, harmlose und weniger harmlose Auseinandersetzungen, eine Messerstecherei oder einen Faustkampf. Mehr als in Tours, in Lyon oder in Rouen, schien Mathilde die Gewalt in Marseille allgegenwärtig. Und wenn sie nicht den großen Kapitän hätte treffen wollen, hätte sie die Stadt verlassen, in der so viel Brutalität herrschte. Im Übrigen schien es sich stets um geringfügige Delikte zu handeln, und niemand wurde eingesperrt. Selbst kleine Diebstähle blieben hier ungestraft.
    Der kleine Trupp des Kapitäns musste Bedürftigen ausweichen, die sich in seinen Weg drängten – Bettler, Blinde, Zwerge, Krüppel, verlassene Kinder in Lumpen und andere Ausgestoßene. Drei- oder viermal drehte Seigneur des Baux den Kopf. Wollte er sich überzeugen, dass das Mädchen ihm folgte? Das schien nicht unwahrscheinlich, denn seine kleine Eskorte hatte schon bemerkt, dass er stets das Tempo verlangsamte, sobald er sie nicht mehr sah.
    Das war auch Mathilde nicht entgangen. Ahnte Bernardin des Baux, über welche Vorzüge das junge Mädchen verfügte, das ihm auf dem Fuße folgte? Wie anmutig sie auf diesem prächtigen Pferd wirkte. Es war perfekt gebaut, weiß wie Schnee, mit einer eleganten Mähne, bebenden Flanken und einer wunderbaren Kruppe! Dieses Pferd entstammte einem edlen Stall, die weißen Pferde dieser Rasse waren echte Königspferde. François, der Duc d’Angoulême, hatte nicht gegeizt, als er ihr Fildor geschenkt hatte.
    Die Menge löste sich langsam auf, und Mathilde kam gut voran. Jubelnd und schreiend zerstreute sich das Volk entlang der Strecke, und nun ritten nur noch die Wachen der königlichen Marine hinter der Eskorte her.
    Das lebendige Treiben in den Straßen setzte sich fort, aber es war leichter hindurchzukommen. Außerdem gab es im Zentrum keine Schlägereien oder Auseinandersetzungen mehr. Stattdessen reihten sich dort

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